Die Sankt-MArien Andreas- Kirche in Rathenow
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Die Sankt-Marien-Andreas- Kirche
in Rathenow
Die Geschichte des Turms
der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
in Rathenow
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Das Wahrzeichen der Stadt Rathenow ist die Sankt-Marien-Andreas-Kirche. Was wäre eine Kirche ohne ihren Turm, der von allen vier Himmelsrichtungen gut zu erkennen ist und den Menschen die nahe Heimat kündet. Diese Geschichte des Turms soll hier, so gut es geht nachgezeichnet werden. Die älteste Ansicht von der Sankt-Marien-Andreas-Kirche ist auf dem Epitaph (Totengedenktafel) des Stadtschreibers Nesen von 1571 zu sehen. Die Kirche hatte eine völlige andere Form.
Älteste Stadtansichetvon Rathenow von 1571
1604 wurde vermutlich die Turmhaube erneuert. Die Turmhöhe betrug 38,92 m (124 Fuß).
1709 wurde mit dem Dachstuhl der Kirche auch die Turmspitze wegen Baufälligkeit abgetragen und so belassen. 1727 wurde der Turm teilweise abgetragen und höher wieder aufgebaut. Die Gesamthöhe des Turms betrug 56,49 m (180 Fuß). 1816 hatte der Turm wieder einen Umbau nötig. Bald zeigte der Turm der Sankt-Marien-Andreas-Kirche erneut starke Risse, die trotz Verankerung von 1816 nicht zu beheben waren.
2. Neugotischer Turm von Carl Wilhelm Redtel (*1824- †1828)
Stadtbaurat Perl sollte deshalb 1821 den Turm vermessen und alles für einen Neubau vorbereiten. Der berühmte Baumeister Friedrich Schinkel wurde mit einem Entwurf beauftragt. Friedrich Schinkel lieferte den Entwurf einer ganz neuen Kirche mit dazu passendem Turm, der aber nicht die Zustimmung des Magistrats fand.
Schinkels Entwurf für die
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
Schinkel war tief enttäuscht. Statt dessen wurde der Entwurf des Regierungsrates Carl Wilhelm Redtel genommen und bis 1828 fertig gestellt. Baurat Carl Wilhelm Redtel, der einen neugotischen Entwurf des Turms eingereicht hatte, war ein Schüler von Friedrich Schinkel. Schinkels Verärgerung kann man gut verstehen, denn man hatte einem Schüler von ihm den Vorzug gegeben. 1824 wurde mit dem Bau begonnen und 1828 war der neue Turm in seiner zum Schiff passenden Gestalt aufgebaut. An der Nordseite des Turms stand am Fuß eine Inschrift: Fischer MDCCCXXIII. Die lateinische Zahl bedeutet 1823.
Als das vergoldete Kreuz über der Kugel auf der Kirchturmspitze fertig war, stellte sich der Rathenower Maurermeister auf das Kreuz und breitete die Arme aus. Die alte Mutter, die wie gewöhnlich morgens einen Blick auf den Kirchturm richtete, sah ihren Sohn auf dem Kreuz stehen, erlitt einen Schock und war mehrere Wochen krank..
Neugotischer Turm nach
Entwürfen von
Carl Wilhelm Redtel
3. Der Wiederaufbau des Turms 1999 – 2002
Erst nach der Einheit Deutschlands im Jahr 1990 war überhaupt daran zu denken, den Turm wieder aufzubauen. 1995 hieß es noch in einer Rathenower Zeitung, der Turm und die Kreuzgewölbe der Sankt-Marien-Andreas-Kirche würden nie wieder aufgebaut.
3.1. Ruine nach der Zerstörung 1945
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche ist das Wahrzeichen der Stadt Rathenow und ihr Turm begrüßt die Besucher der Stadt, aus welcher Himmelsrichtung sie auch immer anreisen. Die Rathenower freuen sich, wenn sie den Turm wiedersehen, denn er bedeutet ein Stück Heimat für sie. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Turm von Brandgranaten getroffen. In der Brandnacht am 28. zum 29.04.1945 wurde auch der Turm völlig zerstört. Es blieb nur noch eine Ruine stehen.
Turmruine 1945
3.2. Abtragung des Obergeschosses des Turmes 1972
1972 musste der Turmhelm wegen Baufälligkeit abgetragen werden. 1990 bot sich noch ein Bild des Jammers. Aus dem Chorraum wuchsen Bäume und das notdürftig gedeckte Kirchendach war undicht und Regen und Nässe hatten schon die Balken im Nordteil des Schiffes zerstört. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kirche in sich zusammen fallen würde.
Bis 2002 war die Turmruine 35 m hoch. Die Kirchengemeinde hatte auf dem Turmstumpf eine Aussichtsplattform eingerichtet und die Besucher konnten den Turm besteigen.
Turmtorso seit 1972
Die Turmspitze hatte vor der Zerstörung eine Höhe von 79 m.
3.3. Der Wiederaufbau des Turms 1999 - 2002
Der Wiederaufbau des Turms kostet ca. 2,5 Millionen € wurde von 1999 bis 2002 durchgeführt. Die ganze Bevölkerung war daran beteiligt, ob evangelisch, katholisch, atheistisch oder kirchenfern.
3.3.1. Grundsteinlegung am 28.05.2000
Am 28.05.2000 fand in Gegenwart des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Manfred Stolpe, die Grundsteinlegung für den Wiederaufbau des Turms statt. Der Ministerpräsident Dr. Stolpe, der Bürgermeister der Stadt Rathenow, Hans-Jürgen Lünser, der geschäftsführende Pfarrer, Andreas Buchholz und der Vorsitzende des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V., Dr. Heinz-Walter Knackmuß, legten die Hände über den Grundstein und Dr. Knackmuß sprach die Worte aus Amos 9,11: „Zur selbigen Zeit will ich die zerfallne Hütte Davids wieder aufrichten und ihre Lücken verzäunen und was abgebrochen ist, wieder aufrichten, und will sie bauen, wie sie vor Zeiten gewesen ist.“
Grundsteinlegung 28.05.2000
(von links: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, Bürgermeister Hans-Jürgen Lünser, Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe, Pfarrer Andreas Buchholz)
3.3.2. Das Aufbringen der Kirchturmspitze
Der Aufbau des Turms erfolgte gleichzeitig an zwei Orten. Am Turm selbst wurde das 1972 abgerissene Stockwerk wieder aufgemauert und auf dem Sportplatz am Schwedendamm erfolgte die Montage der drei Teile der Spitze.
Aufgemauerte Turmspitze
(von links: Peter Kurth, Renate Assmann, Rolf-Eberhard Meier, Günter Holweger, Dr. Karin Gebert und Christine Holweger auf dem neu aufgemauerten Teil des Turmes)
Nach der Fertigstellung Kupferkollosse waren sie das Ziel eines unendlichen Pilgerstroms von Rathenowern, die die Spitze aus der Nähe betrachten wollten. Sie nahmen sie buchstäblich mit Augen und Händen in Besitz.
von links: Turmspitze, Turmbasis und Turmmittelstück
vormontiert auf dem Sportplatz „Schwedendamm“
3.3.2.1 Das Basisteil von 5,8 t wird am 28.08.2001 aufgesetzt
Am 28. August 2001 wurde das Basisteil des Helms durch einen Hubschrauber nach drei gescheiterten Versuchen auf den Turm abgesetzt. Hunderte von Schaulustigen hatten sich in der ganzen Stadt versammelt, um das Schauspiel zu verfolgen. Als d Hubschrauber dreimal wegen Sturm und Regen scheiterte und alle das 5,8 t schwere Stück über ihren Köpfen schweben sahen, erfasste die meisten Menschen eine Schauer. Es war spannend wie ein Kriminalfilm. Um 16:45 Uhr war dann alles geschafft. Der erste Teil des Helms befand sich auf dem Turm.
28.08.2001
Hubschrauber der Bundeswehr setzt das
Basisteil (5,8 t) der Turmspitze auf
3.3.2.2. Mittelteil der Turmspitze von 4,8 t wird 04.09.2001 aufgesetzt
Wenn der Hubschrauber der Bundeswehr über dem Kirchberg schwebte, war Volksfeststimmung in Rathenow. Groß und Klein wollten diesen wichtigen Teil des Wiederaufbaus des Wahrzeichens der Stadt Rathenow nicht verpassen. Mit Kameras und Ferngläsern verfolgte man das grandiose Schauspiel. Tüchtige Straßenhändler boten Bratwurst und Bier rund um den Kirchberg an. Die besten Fensterplätze um die Kirche waren schon tagelang vorher ausgebucht. Am 04.09.2001 konnte der Hubschrauber das Mittelstück der Turmspitze vom Sportplatz am Schwedendamm aufnehmen und auf den Kirchturm bringen. Es wog 4,8 t.
Hubschrauber setzt das
Mittelstück der Turmspitze (4,8 t) auf
04.09.2001
3.3.2.3. Die Spitze des Turms mit 2,5 t wird am 17.09.2001 aufgesetzt
Das oberste Teil der Spitze wog 2,5 t und war der schwierigste Part für die Hubschraubercrew, denn der pilot flog blind und musste sich bei der Steuerung der schweren Teile auf seine zwei Copiloten verlassen. Bei der Spitze mit vergoldetem Kreuz und vergoldeter Kugel wollte und wollte das Aufliegen nicht gelingen, der es warein Kaiserstil in eine Öffnung des Mittelteils einzufädeln. Erst als man den Piloten mit einem hochgefahrenen Kran eine Oreintierungshilfe gab, gelang das Aufsetzen in weinigen Minuten. Am 17.09.2001 war dann die Spitze aufgesetzt und die wichtigsten Bauarbeiten geschafft. Das vergoldete Kreuz ist 2,80 m hoch und 1,60 m breit. Der Durchmesser der Kugel beträgt 1,40 m. Insgesamt wurden 185 g Gold bei der Vergoldung aufgetragen. Auf der Spitze steht wieder eine vergoldete Kugel (Knauf) und das vergoldete Kreuz. In die Kugel wurden die Satzung und ein Mitgliederverzeichnis des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. sowie eine Silber- und Goldmünze gegeben. Die Münzen hat der Förderkreis prägen lassen. Sie zeigen auf der Vorderseite die Sankt-Marien-Andreas-Kirche und auf der Rückseite den Begründer der optischen Industrie in Rathenow, den Pfarrer Johann Heinrich August Duncker. Die Kupferplattengröße der Turmspitze reicht von 0,4-1 m Quadratmetern. Das Kupfer wird durch die Oxidation mit der schwachen Kohlensäure aus dem Regen im Laufe der Jahre einen grünlichen Farbton bekommen - die so genannte Patina. Chemisch ist das Kupferkarbonat, teilweise auch Kupfersulfat, und wird frühestens nach 10 Jahren sichtbar. Es ist ungiftig. Meine Großmutter, Agnes Knackmuß, die noch die Zeit des Kupfergeschirrs und der Kupferkessel kannte, warnte uns Kinder immer vor dem giftigen Grünspan. Der bildet sich, wenn Kupfer mit Essig reagiert. Das giftige Kupferazetat war sehr gefürchtet, weil man den Essig nicht nur zum Würzen der Speisen benutzte, sondern auch als Universalreinigungsmittel.
Die Aussichtplattform ist 51 m hoch. Die Turmspitze erreicht eine Höhe von 79,80 m.
Die Fertigstellung des Turms konnte aber erst 2002 gefeiert werden, weil die einzig erhaltenen Türkenglocke am 18.10.2001 nach Nördlingen in Bayern zur Reparatur gegeben werden musste und erst im Frühjahr 2002 zurückkam. Damit war der Wiederaufbau des Turms 57 Jahre nach seiner Zerstörung vollendet. Am 29.06.2002 konnte dann mit der reparierten Türkenglocke von 1400 in einem Festgottesdienst der Turm als wieder aufgebaut gefeiert werden. Die Rathenower waren glücklich.
3.3.3. Die Finanzierung des Turms
Als der Kirchturm von 1999 - 2002 wieder aufgebaut wurde, war vom damaligen Architekten errechnet worden, dass der Wiederaufbau ca. 1,25 Millionen Euro kosten würden. Die Stadt hatte der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde als Bauherrin in einem Vertrag zugesichert, dass sie sich um alles kümmern werde. Weder dem Architekt noch dem zuständigen Mitarbeiter im Bauamt der Stadt war aufgefallen, dass der Kostenvoranschlag einen Zahlendreher enthielt, der die realistischen Baukosten um eine Million absenkte. Als man schon die Turmspitze aufgesetzt hatte, fiel dem Bauamt der Zahlendreher auf und die Kosten für den Wiederaufbau betrugen nun 2,5 Millionen €.
Aber es war zu spät, das Baugeschehen konnte nicht mehr aufgehalten werden. Viele Rathenower glaubten nicht an den Wiederaufbau des Turms und in der Tat war, nachdem der Zahlendreher in der Kostenberechnung entdeckt wurde, der Wiederaufbau schwieriger geworden. Als dann im Dezember 2001 Handwerkerrechnungen für den Turm in Höhe von 160.000,00 DM aufgelaufen waren, rief der Bürgermeister Dr. Heinz-Walter Knackmuß zu sich und teilte ihm mit, dass er einen Baustopp verfügen müsse, weil die Handwerkerrechnungen nicht mehr bezahlt werden könnten. Dr. Heinz-Walter Knackmuß und die damalige Schatzmeisterin Gisela Rosenberg gingen daraufhin sofort zum Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Rathenow, Siegfried Mertin, und baten ihn um einen Kredit von 200.000,00 DM für den Förderkreis ohne Sicherheiten. Die Volksbank gewährte den Kredit umgehend und so konnten die Handwerkerrechnungen noch vor Weihnachten bezahlt werden und der Baustopp wurde ausgesetzt. Der Vorsitzende des Förderkreises Dr. Heinz-Walter Knackmuß schlief die ersten 14 Tage nach der Kreditaufnahme schlecht, aber er gewöhnte sich bald an die Schulden und ab 01.01.2002 kam mit der Einführung des Euro ein quasi „Halbierung“ der Kreditsumme, die jetzt nur noch 100.000,00 € betrug, was sich viel besser anhörte. Es war natürlich der gleiche Wert geblieben. So konnte dann am Wiederaufbau des Turms weiter gearbeitet werden. Im März 2004, also nach zwei Jahren und vier Monaten, war der Kredit völlig getilgt. Deshalb war die zweite große Spendenaktion des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V., symbolisch Kupferplatten für den Wiederaufbau des Turms an spendenfreudige Rathenower auszugeben. Für 250,00 DM (125,00 €) erhielt der Spender eine nummerierte Urkunde mit der Bestätigung der Spende. Wenn der Spender damit einverstanden war, erfolgte auch eine Veröffentlichung in der Zeitung. Die Dachspitze des Turms wurde mit über 400 Kupferplatten eingedeckt. Zur Finanzierung wurden Sponsoren für die einzelnen Platten gewonnen. Dabei wurden 286 Kupferplatten symbolisch mit Urkunde vergeben, was eine Spendeneinnahme von 35.750,00 € entsprach. Außerdem wurden 22 Ehrenstifterplatten als kleine Kupfertäfelchen für 500,00 € vergeben. Das machte einen Betrag von 11.000,00 €. Es wurden Verhandlungen mit der Stadt und der Landesregierung geführt, um Fördermittel zu erhalten. Das Spendenaufkommen für den Förderkreis übertraf alle Erwartungen. Obwohl die Region von Arbeitslosigkeit gebeutelt wurde, wollten die Menschen die Sankt-Marien-Andreas-Kirche, das Wahrzeichen ihrer Stadt, wieder haben. Viele Menschen spendeten deshalb Kupferplatten. Bei Hochzeiten, Geburtstagen, Festen und Trauerfeiern wurde für den Wiederaufbau der Kirche gesammelt. Ein großer Förderer ist der Apotheker Wolfgang Schröder aus Wetter an der Ruhr. Am 05.05.2000 feierte er seinen 60. Geburtstag in der Ruhrfesthalle in Herdecke mit 110 geladenen Gästen. Ein großer Vorhang auf der Bühne zeigte die Sankt-Marien-Andreas-Kirche, die auch auf das Motto des runden Geburtstags hinwies: Benefizgala zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow. Dabei kamen 13.500,00 DM (6.902,44 €) zusammen. Das war aber nicht die einzige Spende der Familie Schröder. Kupferplatten für 250,00 DM (125,00 €) und ein Gotische Madonna sowie den Heiligen Andreas für je 1800,00 € wurden dem Förderkreis geschenkt. Dazu noch drei Gemälde des Rathenower Malers Werner Stumpp (05.01.1957 -18.07.2001). Wolfgang Schröder schenkte auch an bedeutende Personen des Öffentlichen Lebens Ehrenstifterplatten im Werte von 1000,00 DM (ca.500,00 €) wie den Ministerpräsidenten Dr. Manfred Stolpe, Charlotte Nitschke und Prof. Dr. Gottfried Kiesow, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Der Förderkreis hat angeregt durchWolfgang Schröder, Stifterbriefe in Platin, Gold, Silber und Bronze sowie Kupferplatten, Bausteine, Orgelpfeifen, Dachsteine und Rautenfenster als Urkunden für Spenden ausgegeben. Wolfgang Schröder engagierte sich auch aum Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden und brachte von dort viele Spendenideen mit nach Rathenow. Die Ehrenstifterplatte für Charlotte Nitschke, die von Wolfgang Schröder gespendet wurde, hat sich gelohnt, denn Charlotte Nitschke, Nachfahrin eine Rathenower Fernglasfabrik, stiftete 50.000,00 € für den Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche. Bis zum 26.10.2001 hatte der Förderkreis insgesamt 561.532,10 DM (287.106,80 €) an Spenden gesammelt, die für verschiedene Zwecke des Wiederaufbaus benutzt wurden. Dr. Heinz-Walter Knackmuß hatte das Geläut der zwei neuen Bronzeglocken als Weihnachtskassette an alle Mitglieder des Förderkreises geschickt. Das Echo war überwältigend. Bis auf eine kritische Stimme, die die technische Perfektion der Kassette zurecht bemängelte, kam ein gewaltiger Spendenstrom zurück. Neben vielen Anrufen und Briefen gab es auch einen Schub an Neuaufnahmen von Mitgliedern im Förderkreis.
3.3.4 Grundsatzgespräch am 19.04.2002
Der Förderkreisvorsitzende, Dr. Heinz-Walter Knackmuß, führte mit dem geschäftsführenden Pfarrer, Andreas Buchholz, am 19. April 2002 ein Grundsatzgespräch. Es war dabei vollkommne Übereinstimmung in der Zielplanung des weiteren Wiederaufbaus erreicht worden. Die Sterngewölbe, die Orgel, sollen wieder hergestellt werden. Es ist auch Einigkeit darüber festgestellt worden, dass die Sanierung der Kirche noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird, dass man sich aber von dem Ziel nicht abbringen lassen wollte, auch wenn es vielleicht mehrere Generationen dazu brauchen werde.
3.3.5. Fernsehfilm über den Wiederaufbau des Turms (13.05.2005)
Dr. Heinz-Walter Knackmuß hatte an die damalige Rundfunkanstalt Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB) geschrieben und darum gebeten, dass ein Fernsehfilm über den Wiederaufbau des Turms und der Kirche gedreht werde, denn der ORB hatte die spektakulären Ereignisse wie den Wiederaufbau der dreiteiligen Turmspitze mit einem Hubschrauber der Bundeswehr gefilmt und gesendet. Nach anfänglichem Zögern kam dann ein schöner Film zustande, der unter dem Titel „ Rathenow ganz oben“ am 13.05.2002 gesendet wurde.
Copyright: Dr.Heinz-Walter Knackmuß, 09.06.2024
Die Geschichte der Orgel
der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
in Rathenow
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Reich verzierter Rokoko-Prospekt
der Schuke-Orgel auf der Empore der Kirche vor 1945
Inwieweit der Bau der ersten Orgel für die Stadtkirche in die Geschichte zurückgeht, ist uns nicht bekannt. Sicher war vor 1764 schon ein Orgelwerk in Gebrauch. Mit Salomon Kleinert aus Brandenburg wollen wir aber die Geschichte der Orgel der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow ihren Anfang nehmen lassen.
1. Die Kleinert-Orgel
Der Orgelbauer Salomon Kleinert (1720 - 1796) hatte am 25.08. 1751 das Bürgerrecht in der Neustadt von Brandenburg an der Havel erworben. 1754 hat Salomon Kleinert einen Vertrag über den Orgelneubau in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow erhalten. 1756 wurde die Orgel kritisch begutachtet und erst 1764 endgültig vollendet (2). Sie muss kein gutes Werk gewesen sein, weil sie schon nach 14 Jahren erneuert werden musste.
2. Die Treutmann-Orgel
Christoph Treutmann der Ältere (ca.1673 -1757) aus Magdeburg hat berühmte Orgelwerke wie das von Sankt Eustachius und Agathe in Magdeburg-Diesdorf (1723), in der Sankt-Levin-Kirche in Harbke (1727/28) und das in der Stiftskirche Sankt Georg in Grauhof bei Goslar (1737) erbaut. Sein Sohn Christoph Treutmann der Jüngere hat von 1776 bis 1778 die Kleinert-Orgel in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow umfassend repariert. Die Einweihung dieser Orgel von Treutmann fand dann 1778 statt. Alexander Schuke hat 1902 ein sehr genaues Verzeichnis dieser Orgel angelegt. Wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, war ihm Treutmann als Erbauer dieser Orgel nicht bekannt. Wir können aber dank Schukes Schriften den Aufbau der Treutmann-Orgel sehr genau nachvollziehen. Die Orgel hatte zwei Manuale und ein Pedal. Schuke hat aber doch seine Kunst beim Aufbau und bei der Reparatur einfließen lassen, wie wir dem Gutachten Otto Dienels entnehmen können. Aus den Aufzeichnungen von Schuke geht folgender Aufbau der alten „neuen“ Orgel hervor.
I. Manual, verm. C, D - c´´´
1. Principal 8´ G - cs´´´ wieder verwendet
2. Bordun 16´ c - c´´´ wieder verwendet
3. Gemshorn 8´
4. Rohrflöte 8´ c - c´´´ im II. Manual wieder verwendet
5. Hohlflöte 8´ cs - cs´´´ wieder verwendet
6. Octave 4´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
7. Spitzflöte 4´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
8. Quinte 2 2/3´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
9. Octave 2´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
10. Sesquialter 3f evtl. im neuen Cornett 3 f wieder verwendet
11. Mixtur 5f wurde vermutlich in Mixtur I wieder verwendet
12. Trompete 8´
II. Manual, verm. C, D - c´´´
13. Principal 4´ evtl. Cs, Ds - cs´´´ in Octave 4´ wieder verwendet
14. Gedackt 8´ c - c´´´ in I´ wieder verwendet
15. Quintadena 8´ in Gedackt 16´ II versetzt c´- f´´´´ wieder verwendet
16. Salicional 8´ Fs - cs´´´ wieder verwendet
17. Gambe 8´
18. Fl. travers 8´ fs - cs´´´ wieder verwendet
19. Flöte 4´ vermutlich in Flöte dolce 4´ I C,D - c´´´ wieder verwendet
20. Nasat 2 2/3´ Cs, Ds - c´´´ wieder verwendet
21. Octave 2´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
22. Quinte 1 1/3´
23. Mixtur 4f werden vermutlich in Mixtur II wieder verwendet
24. Hautbois 8´ Cs, Ds - cs´´´ wieder verwendet
Pedal, verm. C, D - d´
25. Principal 8´ Fs - d´ wieder verwendet
26. Violon 16´ Cs, Ds - d´ wieder verwendet
27. Subbaß 16´
28. Violon 8´
29. Quinte 5 1/3´ wird in Quinte 10 2/3´ wieder verwendet
30. Octave 4´ Cs, Ds - d´ wieder verwendet
31. Posaune 16´
Als Bemerkungen hat Schuke hinzugefügt:
Teilweise wurden die Register vermutlich um einen Halbton versetzt, daher geht das alte Pfeifenwerk manchmal bis cs´´´. Manualkoppel, Pedalkoppel, 3 Sperrventile, Cymbelstern, ca. 200 Jahre alt. Schaden durch Gasheizung, verschmutzt und stark klappernd.
3. Die Schuke-Orgel
1902 wurde diese Treutmann-Orgel von Alexander Schuke aus Potsdam umgebaut. Da die Treutmann-Orgel in sehr guter Qualität erbaut worden war, konnten viele Teile nach entsprechender Reinigung wieder verwendet werden.
Blick auf die Empore mit Schuke-Orgelwerk
Am 19.09.1901 wurde im Königlich Preußischen Steueramt Rathenow der Vertrag zwischen dem Gemeindekirchenrat zu Rathenow, vertreten durch die Herren Fr. Punger und E. Grüneberg, und dem Orgelbaumeister Herrn A. Schuke zu Potsdam geschlossen. Der Originalvertrag ist in feinster Sütterlinschrift verfasst und stellt für uns heutige Leser ein eigenes Kunstwerk dar. Der Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH in Werder danken wir für die Überlassung der Kopien des Vertrages (1).
Erstes Blatt des Vertrages mit Alexander Schuke
Die Umbaukosten wurden mit 7.550,00 Mark veranschlagt und der Umbau sollte vom 01.06.1902 – 01.08.1902 stattfinden. Für eine nicht fristgemäße Fertigstellung des Umbaus wurde eine Konventionalstrafe von 50,00 Mark je Woche der späteren Fertigstellung vereinbart. Herr Schuke musste sich auch verpflichten, bei nicht fristgemäßer Fertigstellung der Orgel zur Begleitung des kirchlichen Gesangs eine kleine Orgel zur Verfügung zu stellen, für deren Transport und Aufstellung er verantwortlich war. Es wurden fünf Jahre Garantie verlangt und keine Nachforderungen abweichend vom Kostenvoranschlag zugelassen. Im § 5 des Vertrages heißt es: „Das zum Umbau der Orgel zu verwendende Holz muss gegen Zerstörung durch Wurmfraß mittelst Imprägnierung geschützt werden.“ Sollte Herr Schuke während der Bauzeit „mit dem Tode abgehen“, so war es dem Gemeindekirchenrat vorbehalten, den Vertrag als gelöst zu betrachten oder ihn mit seinen Erben fortzusetzen. Alexander Schuke musste sich auch verpflichten, die Auflagen eines unabhängigen Gutachters zu seinen Kosten zu erfüllen, wenn denn solche gemacht würden. Aber der königliche Musikdirektor und Organist an St. Marien zu Berlin, Otto Dienel, dem diese Aufgabe zufiel, schrieb am 15.12.1902 ein sehr umfangreiches Gutachten, dessen Quintessenz lautet: „Das volle Werk hat einen mächtigen Klang, der auch einer vollzähligen Festtagsgemeinde gewachsen ist. Wenngleich die gemischten Stimmen durch Erhöhung des Winddrucks schärfer geworden sind, so reagieren sie doch vortrefflich auf den achtfüßigen Grundton der Manuale. Sie treten keineswegs zu selbstständig auf, sondern geben dem Achtfußtone nur den wirksamen Mixturenglanz. Eine Anzahl wohlklingender Charakterstimmen gibt reiche Gelegenheit zur Abwechslung im Piano und Mezzoforte. Die Intonation ist künstlerisch gelungen. Auch aus alten Registern ist das gemacht worden, was zu machen möglich war. So hat Schuke seine im Anschlag übernommenen Verpflichtungen vollkommen erfüllt. Für seine Kunstarbeit gebührt ihm reicher Dank“ (1). Ob die Schuke-Orgel fristgemäß fertig gestellt wurde, ist nicht bekannt, aber eher wahrscheinlich. Jedenfalls hat die Orgel einen herrlichen Rokoko-Prospekt erhalten und tat ihren Dienst, bis sie in den letzten Kriegstagen und zwar in der Nacht vom 28.04. zum 29.04.1945 von Brandgranaten getroffen wurde und mit der Sankt-Marien-Andreas-Kirche völlig ausbrannte. Der Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche sammelt nun für eine neue Schuke-Orgel. Matthias Schuke und seine Firma sind heute in der Lage, Neobarocke Orgeln, Romantische Orgeln und Renaissanceorgeln zu bauen. Im Magdeburger Dom wurde von Matthias Schuke eine Orgel eingebaut, die sowohl einen neobarocken als auch einen romantischen Klang erzeugen kann. Die Renaissanceorgeln waren nicht für die Begleitung des Gemeindegesanges gedacht und wurden immer schon als reine Konzertorgeln gebaut. Die Schuke-Orgel kann aber erst nach Abschluss aller Bau- und Malerarbeiten gewissermaßen als Krönung des Wiederaufbaus eingebaut werden. Es müssen alle Kreuzgewölbe und die Empore fertig gestellt sein, ehe Schuke das Orgelprojekt beginnen kann. Solange muss die kleine elektronische Orgel die Gemeinde beim Gesang begleiten und für viele Konzerte in der Kirche dienen.
4. Die elektronische Übergangsorgel von 2006
Am Sonntag, den 30. April 2006 versammelte sich die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde um 10:00 Uhr das erste Mal zum regulären Gottesdienst während der Landesgartenschau in Rathenow in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche. Jeden Sonntag sollte nun bis zum Ende der Landesgartenschau der Gottesdienst um 10:00 Uhr in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche stattfinden.
Außerdem war es ein Festgottesdienst mit Orgelweihe der neuen elektronischen Übergangsorgel, die die Gemeinde von der Firma Hoffrichter Orgel GmbH in Salzwedel für 6.750,00 € gekauft hat. Pfarrer Andreas Buchholz und seine Frau Magdalena hatten anlässlich ihrer Silberhochzeit statt Geschenke um eine Geldspende für diese Capella-Sakral-Orgel Modell 220 mit 40 Registern gebeten. Dabei waren 3.000,00 € zusammen gekommen. Karl und Luise Freitag hatten dann zu ihrer Goldenen Hochzeit ebenso um Spenden für die Übergangsorgel gebeten. Hier waren 900,00 € an Spenden für die Orgel an die Kirchengemeinde geflossen. Es haben auch viele andere für die Orgel gespendet. So konnte die Kreiskantorin Hanna Seefeld zum Beginn des Gottesdienstes alle Besucher mit dem Präludium in C-Dur von Felix-Mendelssohn-Bartholdy begrüßen. Die Gottesdienstbesucher waren sich einig: Die Orgel klingt großartig. Mit Variationen über das Kirchenlied „Lobe den Herren…“ konnte Hanna Seefeld das Klangbild der Orgel für die Besucher in vielen Fassetten darstellen. Pfarrer Andreas Buchholz ging bei seiner Festpredigt auf das Alte Testament ein, wo der erste König Israels, Saul, an einem „Überforderungssyndrom“ (neudeutsch „Burnout-Syndrom“) litt, wie es bei Samuel 1 im 16. Kapitel heißt. Nichts konnte ihm richtig helfen, aber die Ärzte kannten schon damals die heilende Wirkung der Musiktherapie. Und so wurde der kleine Hirtenjunge David an den königlichen Hof zitiert, weil er der beste Harfenspieler war und die Musik dem König Saul gut tat. Immer, wenn der Hirtenjunge David zur Harfe griff, wurde es dem König Saul leichter ums Herz und der böse Geist verließ ihn.
Den Abschluss des Gottesdienstes bildete ein Grave von Johann Sebastian Bach. Nach dem Ende des Festgottesdienstes erklärte die Kreiskantorin Hanna Seefeld die Funktion der Orgel und zeigte noch einmal an Klangbeispielen die große Bandbreite des Klangvolumens. Das ganze Kirchenschiff wurde von dem vollen Klang der Orgel erfüllt.
Ehe die große Schuke-Orgel eingebaut werden kann, wird diese kleine Hoffrichterorgel wohl noch gute Dienste leisten. Sie kam zur rechten Zeit, denn die Landesgartenschau 2006 brachte eine Vielzahl von Konzerten mit sich. Alle Rathenower und die Gäste der Stadt können sich an der Übergangsorgel erfreuen und hoffen, dass sie laut und leise zum Lobe Gottes in dieser Stadt erklingen wird, bis sie einst von der großen Schuke-Orgel übertönt wird.
Wir danken Hans-Martin Ermisch für die fachliche Beratung.
Gleb Bubnow spielt am 18.08.2019
Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565)
von Johann Sebastian Bach
Quellen:
1. Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH-Archiv, Werder an der Havel
2. Dr. Uwe Czubatynski/Domstiftsarchiv Brandenburg zitiert aus dem Nachlass Dr. Rudolf Guthjahr
Copyright:Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Gotischer Marienaltar
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
in Rathenow
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
1. Der Gotische Marienaltar von 1380
Die Tochter Kaiser Karls IV., Katharina (1342 -1395) heiratete am 19.03.1366 in Prag den Wittelsbacher Otto V., Kurfürst und Markgraf von Brandenburg. Katharina war von 1366 – 1373 Markgräfin von Brandenburg. Ein Jahr nach der Hochzeit 1367 bestätigte ihr Otto V. ihre Altersversorgung, zu der ein umfangreicher Besitz von 18 brandenburgischen Städten, unter anderem auch Rathenow gehörte. 1380 war der Chor der Sankt-Marien-Andreas-Kirche gerade vollendet. Katharina könnte daher den Marienaltar für ihren Witwensitz gestiftet haben. Die künstlerischen Vorbilder der Figuren weisen eindeutig nach Prag. Der mittelalterliche Marienaltar in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche besteht aus dem Hauptschrein und zwei Flügeln. Er kam 1875 nach Berlin in das Kunstgewerbemuseum und wurde später im Kaiser-Friedrich-Museum aufbewahrt. Durch die Rathenower Bürger Babenzien und Maeß gelang es nach Verhandlungen mit dem Museum und durch ein unmittelbar an Kaiser Wilhelm II. gerichtetes Gesuch (Immediatsgesuch), den Altar nach Rathenow zurück zu bekommen. Er wurde dann zur ausgiebigen gründlichen Restaurierung in die Kunstwerkstatt von Professor Kutschmann in Berlin gegeben, sodass die Malereien wieder in vollem Glanz erstrahlten und einzelne architektonische Teile der Holzfiguren erneuert wurden. Die Kosten der Restaurierung betrugen 4.000,00 Goldmark. (40.000,00 €). Am ersten Pfingstfeiertag 1919 konnte die Gemeinde den restaurierten Altar wieder in Empfang nehmen. Während des zweiten Weltkrieges (1943-1945) war der Altar im Turm eingemauert und ist so nicht ein Opfer der Flammen geworden. Im Herbst 1942 oder im Frühjahr 1943 hat der Zeitzeuge Siegfried Eimler als Tischlerlehrling Kisten für die Verpackung des Marienaltars bauen dürfen. Der Altar wurde mit den drei Bildern, Christus vor dem Hohen Rat, Simeon mit dem Kinde und dem Epitaph des Stadtschreibers Nesen, auf Geheiß des damaligen Pfarrers Detert im Eingangsbereich des Turms auf der rechten Seite eingemauert. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Altar in der Lutherkirche gelagert und erst am 06.09.1959 wieder in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche aufgestellt. Der Altar ist 1,53 m hoch. Die Breite des Mittelschreins beträgt 2,17 m und die der beiden Flügel je 1,07 m beziehungsweise 1,15 m. Die Figuren des Mittelschreins sind aus Pappelholz geschnitzt, mit Naturfarben bemalt und vergoldet. Das Holz für die Figuren wurde vor dem Schnitzen entkernt. Das bedeutet, dass die Figuren von innen hohl sind. So können Spannungen und Risse zwischen Kern und Außenfläche gar nicht erst entstehen. Die Figuren des Mittelschreins stehen auf einem 22 cm hohen Sockel (Predella). Auf der Predella waren früher Spuren von 13 geschnitzten Brustbildern zu sehen. Es wird vermutet, dass hier Jesus Christus und die zwölf Apostel abgebildet waren. Die Figuren des Mittelschreins sind 90 cm hoch und werden mit einer Krone dargestellt. Die Kronen der vier Heiligen neben der Mutter Gottes werden als Märtyrerkronen aufgefasst. Märtyrer sind Menschen, die wegen ihres Glaubens Verfolgung und Tod erleiden mussten. Über jeder Heiligenfigur findet sich ein gotischer Spitzgiebel (Wimperge) als Baldachin, deren auf- und absteigender Ast mit drei geschnitzten Blumenornamenten (Krabben) geschmückt ist beziehungsweise war. In den zehn Dreiecken über den Wimpergen sind kleine gemalte Engel zu sehen. Die Wimperge über der Mutter Gottes ist größer als die der anderen Heiligen und hebt ihre zentrale Bedeutung hervor. Bei den geschnitzten Heiligenfiguren fällt die typisch gotische S-Form der Körper auf. Auf den Seitenflügeln sind je drei schöne Heilige mit Temperafarben gemalt. Für die Gewänder wurde nur rot und grün verwendet. Die Gewänder und die Wimpergen sowie gesamte Architektur des Altars lassen eine Datierung auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts vermuten. Es gibt auch Hinweise, dass der Altar aus Böhmen stammt. Unwahrscheinlich ist das nicht, da Kaiser Karl IV., dem 1373 die Mark Brandenburg zufiel, seine Residenz zwar in Prag hatte, aber auch das nahe gelegene Tangermünde von 1374 – 1377 zur Residenz ausbauen wollte. Moldau, Elbe und Havel waren zu damaliger Zeit die sichersten Verkehrswege.
Dorothea Margarete Maria Barbara Katharina
Die heilige Dorothea , Doris Namenstag 6. Februar
Schutzheilige der Bierbrauer, Blumengärtner und Floristen, der Bräute und neu vermählten Ehepaare.
Die Darstellung der heiligen Dorothea erfolgt mit Schwert, Palme, Krone und Lilie und mit einem Körbchen voll Rosen und Äpfel. Sie ist die Helferin bei falschen Anschuldigungen. Ihr Namenstag ist der 6. Februar. Die Legende berichtet, dass Dorothea eine der ersten Christinnen war, die für ihren Glauben ihr Leben lassen musste. Sie wuchs zur Zeit des römischen Kaisers Diokletian (243 – 313) auf, der die Christen grausam verfolgen ließ. Ihr Vater war römischer Senator. Er lebte in Kappadozien (Türkei). Dorothea heißt so viel wie "von Gott Geschenkte". Der Vater freute sich, als ihm eine dritte Tochter geboren wurde. Sie war sehr schön und klug. Der kaiserliche Statthalter Apricius wollte sie zur Frau haben. Als er hörte, dass sie Christin war, ließ er sie foltern. An einem kalten Wintertag wurde sie hingerichtet. Bevor sie dem Henker übergeben wurde, rief ein junger Mann mit Namen Theophilus: " Wenn du in den schönen Garten deines Bräutigams kommst, dann schicke mir doch Rosen und Äpfel!" Da erschien ein Knabe und überreichte der heiligen Dorothea ein Körbchen mit Rosen und Äpfeln. Als der Spötter, Theophilus, das sah, bekehrte er sich auch zum Christentum und wurde ebenfalls enthauptet.
Wetterregel: Dorothee bringt den meisten Schnee.
Die heilige Margareta (griechisch Marina ,auch Grete, Margit, Margot, Meta) Namenstag: 20. Juli
Schutzheilige der Bauern, Hirten, Müller, Frauen und Ehefrauen.
Neben Maria steht die heilige Margareta. Margareta bedeutet auf Deutsch die Perle. Die Perlen gelten als Zeichen der Reinheit. Sie ist die Namensgeberin für die Margeritenblumen. Sie wird dargestellt mit Drachen (Wurm) und Kreuzstab, als reich gekleidete Königstochter mit Krone und Perlenkranz. Kamm und Fackeln werden oft als ihre Folterwerkzeuge dargestellt. Sie gehört zu den 14 Nothelfern und wird besonders angerufen für Fruchtbarkeit, bei Geburtsnöten und in der Sterbestunde. Ihr Namenstag wird am 20. Juli gefeiert.
Sie wird meist zusammen mit der heiligen Barbara und der heiligen Katharina dargestellt, als heilige drei Jungfrauen. Der Volksmund sagt:
Margareta mit dem Wurm,
Barbara mit dem Turm,
Katharina mit dem Radl,
das sind die heiligen drei Madl.
Die Legende berichtet, dass sie als Tochter eines heidnischen Priesters in Antiochia (Türkei)
aufwuchs. Da die Mutter früh starb, erzog sie eine Amme heimlich zur Christin. Als sie es ihrem Vater bekannte, schickte er sie zur Strafe in die Verbannung, wo sie Schafe hüten musste.
Dort sah sie ein hoher Verwaltungsbeamter, der Präfekt Olybrius, und begehrte sie zur Frau. Margareta bekannte sich als Christin, worauf Olybrius in sie drang, ihrem Christenglauben abzuschwören. Margareta weigerte sich. Der Präfekt ließ sie foltern und ins Gefängnis werfen. Dort erschien ihr ein gräulicher Drache. Margareta schlug das Kreuzzeichen über das Untier und der Drache als Sinnbild des Teufels schrie laut: "Weh mir, nun bin ich von einer schwachen Jungfrau überwunden worden." Der Präfekt ließ sie enthaupten. Als Todesjahr wird 307 angegeben.
Maria
Die mittlere Figur zeigt Marie mit dem Jesuskind. Die Figur steht unter einem gotischen Bogen, während die anderen Figuren einen einfachen Spitzbogen als Dach besitzen. Sie stellt den Mittelpunkt des Altars dar. Der rechte Arm fehlt der Mutter Gottes, die das Jesuskind auf dem linken Arm hält. Dem Jesusknaben fehlen beide Arme.
Die heilige Barbara, auch Bärbel, Babette, Betty Namenstag: 4. Dezember
Schutzheilige der Bergleute, Architekten, Dachdecker, Gefangenen, Feuerwehrleute, Schmiede, Maurer, Hutmacher und Köche.
Die heilige Barbara wird mit Krone, Kelch und Hostie auch oft mit einem Turm mit drei Fenstern dargestellt. Sie gehört zu den 14 Nothelfern und wird besonders gegen Blitz, Gewitter, Feuer, Fieber und Pest und für eine gute Sterbestunde angerufen.
Ihr Namenstag ist der 4. Dezember. Am Barbaratag schneiden viele Menschen Zweige vom Kirsch-, Pflaumen- oder Birnbaum, aber auch vom Forsythien- oder Fliederstrauch ab und stellen sie in eine Vase. Man hängt an die Zweige kleine Schilder mit den Namen der Hausbewohner. Es wird darauf geachtet, welche Zweige bis zu Weihnachten blühen. Das bedeutet Glück. Die Wetterregel für den St. Barbara-Tag heißt:
Geht St. Barbara im Grünen,
kommt´s Christkind im Schnee.
Die Legende berichtet, dass sie als Tochter des reichen heidnischen Kaufmanns Dioskurus in der Nähe von Istanbul aufgewachsen ist. Da sie sehr schön war, ließ sie der Vater in einen Turm einsperren. Sie sollte dadurch vor Entführungen geschützt werden. In dieser Zeit wurde sie Christin. Als der Vater merkte, dass sie eine Christin geworden war, wollte er sie töten. Sie entfloh in einen Berg, der sich vor ihr aufgetan hatte. Das Versteck wurde jedoch entdeckt und der Vater ließ seine Tochter am 4. Dezember 306 enthaupten.
Die heilige Katharina davon abgeleitet Käthe, Katrin, Katja, Karin, Kitty Namenstag: 25. November
Schutzheilige der Buchdrucker, Frisöre, Gelehrten, Juristen, Notare, Lehrer, Redner, Theologen, Schüler,
Ehefrauen, der Bibliotheken und der Universität Paris.
Die heilige Katharina wird als Königstochter mit zerbrochenem Rad, Buch, Palme und Schwert, manchmal auch mit Ring als Vermählungszeichen mit Christus, dargestellt. Sie gehört zu den 14 Nothelfern und wird besonders angerufen bei Migräne, Zungenkrankheiten und zur Auffindung Ertrunkener. Ihr Namenstag ist am 25. November. Es ist das Ende des Kirchenjahrs. Der Advent begann als stille Zeit, in der auch nicht getanzt werden durfte. So tanzte man am Namenstag der Heiligen Katharina noch einmal tüchtig und der Volksmund sagte: "Sankt Kathrein stellt den Tanz ein." In dem Volkslied "Heißa Kathreinerle schnür dir die Schuh" klingt das noch an. Die Legende erzählt, dass sie als Tochter des Königs von Zypern aufwuchs. Sie soll sehr intelligent und schön gewesen sein. Jesus Christus zeigte sich ihr in einer Vision und steckt ihr symbolisch als Zeichen seiner mystischen Vermählung einen wunderbaren Ring an den Finger. Als der Kaiser in Alexandrien Christen grausam umbringen ließ, weil sie sich weigerten, die Götterbilder anzubeten, ging Katharina zu ihm und sprach: "Das hohe Amt, das du bekleidest, darf von mir Achtung und ehrerbietigen Gruß fordern...., aber Anbetung kannst du weder für dich noch für deine steinernen Bilder verlangen." Der Kaiser ließ sie foltern und ließ dazu vier Eisenräder mit spitzen Nägeln fertigen. Engel zerstörten die Räder, so dass sie nicht eingesetzt werden konnten. Der Kaiser ließ ihr daraufhin den Kopf abschlagen. Ihr Tod wird um 310 angegeben. Engel trugen den Körper zum Berg Sinai zu der Stelle, wo Gott Mose aus dem brennenden Dornbusch aufforderte, das Volk Israel aus Ägypten zu führen und wo er später dem Volk Israel die Gesetzestafel übergeben hat. Dort befindet sich heute das weltberühmte Katharinenkloster, in dem die Gebeine der heiligen Katharina aufbewahrt werden. Mönche sind angeblich vom süßen Geruch ihrer Gebeine angelockt worden und haben dann das Kloster gegründet. Die Mönche haben sich mit allen Herrschern in ihrer Umgebung immer gut vertragen. Es findet sich auch ein Schutzbrief im Kloster vom Propheten Mohammed, der nicht lesen und schreiben konnte und seine Hand als Abdruck auf die Urkunde legte, und so unterschrieb.
Linker Altarflügel
Apostel Sankt Jakobus (zu erkennen an der Jakobsmuschel) Namenstag: 25. Juli
Schutzheiliger von Spanien, aller Pilger, Apotheker, Arbeiter, Schiffer, Hutmacher und Wachszieher.
Jakobus war der Sohn des Fischers Zebedäus. Sein älterer Bruder war der Evangelist Johannes. Jesus nannte sie beide die Donnersöhne, denn sie waren furchtlos und impulsiv. Die Mutter der beiden Söhne Maria Salome ging zu Jesus und bat ihn, ihren Söhnen zwei Ehrenplätze in seinem Reich zu seiner Rechten und zu seiner Linken zu geben. Jesus sagte zu ihr:" Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Der König Herodes Agrippa ließ den sehr bekannten Jakobus Ostern 44 durch das Schwert hinrichten. Seine Gebeine wurden nach Santiago de Compostela in Nordspanien gebracht, wo er bis heute verehrt wird. Viele Pilgerwege führen heute nach Santiago de Compostela. Wenn man 100 km nach Santiago de Compostela wandert oder 200 km mit dem Fahrrad dorthin fährt und sich von den vornehmen Kirchendamen in den Dörfern einen Stempel geben lässt
erhält man die begehrte Urkunde, die Compostela.
Compostela-Urkunde
eines Pilgers
vom 08.10.2007
Der Namenstag des Apostels Jakobus ist der 25. Juli. Dann beginnt auch die Getreideernte, deshalb nennt man ihn auch den Kornpatron. Er wird mit der Jakobsmuschel, mit Buch, mit langem Stab, Pilgerhut, Reisetasche und Kürbisflasche dargestellt.
Apostel Sankt Andreas, auch Andre, Andrea (mit dem typischen Andreaskreuz) Namenstag: 30. November
Schutzheiliger von Russland, Griechenland und Schottland, der Fischer, Bergleute, Metzger und Seiler.
Er war einer der zwölf Apostel und soll sehr bescheiden gewesen sein. Er stammt aus Betsaida am See Genezareth. Wie sein älterer Bruder Simon Petrus war er Fischer. Er ging nach Griechenland und an das Schwarze Meer und verkündete das Evangelium. Er wurde am 30. November 60 in der Stadt Patras an das sogenannte Andreaskreuz geschlagen. Nach den Legenden ist die Andreasnacht voller Geheimnisse. Es ist der Beginn der Adventszeit. Nach dem Volksglauben soll den Menschen in dieser Nacht durch Träume etwas über ihre Zukunft offenbart werden.
Wetterregel: Andreasschnee tut Korn und Weizen weh.
Sankt Paulus, auch Paul, Pauline (mit dem Schwert) Namenstag: 29. Juni
Schutzheiliger vieler Städte, der Sattler, der Seiler, Weber, Zeltmacher und Theologen.
Paulus wird mit Heiliger Schrift und Schwert dargestellt. Sein Namenstag wird am 29. Juni gefeiert. Paulus wurde im Jahr 10 in Tarsus (Türkei) geboren. Er war von Beruf Zeltmacher. Die griechische Form des Namens ist Saulus. Er war strenggläubiger Jude und hat zuerst die Christen verfolgt. Auf dem Weg nach Damaskus hatte er eine Vision. Eine Stimme fragte ihn: "Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?" Daraufhin ließ er sich taufen und wurde Christ. Er machte viele Missionsreisen und schrieb Briefe. Als er verhaftet werden sollte, sagte er: “Populus romanus sum.“ (Ich bin römischer Staatsbürger) und hatte daraufhin das Recht nur in Rom vor Gericht gestellt zu werden. Der römische Kaiser Nero ließ ihn in Rom im Jahr 67 mit dem Schwert enthaupten.
Wetterregel: St. Paulus hell und klar bringt ein gutes Jahr.
Rechter Altarflügel
Petrus Johannes Bartholomäus
Apostel Sankt Petrus, auch Peter, Petra (mit dem Himmelsschlüssel) Namenstag: 29. Juni
Schutzheiliger vieler Städte und Länder, der Fischer, Fischhändler, der Schiffer, der Maurer, der Schlosser, der Schmiede, der Uhrmacher und der Metallarbeiter.
Petrus nahm im Kreis der Apostel die erste Stelle ein. Jesus hatte zu ihm gesagt: "Dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben." Er wird meist mit einem oder zwei Schlüsseln dargestellt oder einem Kreuz, das er über der Schulter trägt. Er war von Beruf Fischer. Jesus sagte zu ihm: "Du bist Petrus der Fels und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen."
Als Jesus gefangen gesetzt war, hat er ihn dreimal verleugnet. Jesus hatte ihm das vorausgesagt, als er sehr kämpferisch gegen die Soldaten, die Jesus gefangen nahmen, auftrat. "Ehe der Hahn einmal kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben", sagte er zu ihm.
Der römische Kaiser Nero (37-68) ließ ihn, als er in Rom war, kreuzigen. Er ist begraben, wo heute die Peterskirche in Rom steht. Er gilt als der erste Bischof der Weltkirche.
Schutzheiliger der Bildhauer, Buchbinder, Buchdrucker, Buchhändler, Glaser, Graveure, Kerzenfabrikanten, Korbmacher, Maler, Notare. Papierfabrikanten, Schriftsteller, Schreiber, Spiegelmacher und Weingärtner.
Apostel Sankt Johannes (mit dem Kelch) Namenstag: 27. Dezember
Johannes war der Sohn des Zebedäus und seiner Frau Salome. Wie sein älterer Bruder Jakobus war er Fischer. Die Geschwister waren vom Charakter sehr aufbrausend, sodass man sie „Donnersöhne“ nannte. Johannes ist der Lieblingsjünger von Jesus gewesen. Er hat das Johannesevangelium geschrieben. Jesus hat vom Kreuz herab Johannes gebeten, sich um seine Mutter zu kümmern. Johannes sorgte wie ein Sohn für Maria bis zu ihrem Tode. Er stellt mit Petrus die Säule der ersten Christengemeinde dar. Er nahm am ersten Apostelkonzil im Jahr 51 teil und lernte Paulus kennen. Er ging nach Kleinasien und leitete viele Gemeinden von Ephesus aus. Als unter dem römischen Kaiser Domitian die Christenverfolgung einsetzte, wurde er in einen Kessel mit siedendem Öl gesetzt. Doch auf wunderbare Weise blieb er unverletzt. Daraufhin wurde Johannes auf die Insel Patmos verbannt. Hier hatte er apokalyptische Visionen, die in der Offenbarung niedergeschrieben wurden. Als unter dem römischen Kaiser Nerva (30-98) die Gesetze zur Christenverfolgung aufgehoben wurden, ging er nach Ephesus zurück. Dort wurde er Nachfolger des Bischofs Timotheus. Hier schrieb er auch ein Evangelium. Er wird mit einem Adler (Symbol des 4. Evangeliums), mit einer Schlange, die aus dem Becher kommt, mit Kessel oder als Greis dargestellt. Er wird bei Epilepsie, Fußleiden, Vergiftung, Brandwunden, gegen Hagel und für Fruchtbarkeit der Felder angerufen.
Die Legende berichtet, dass der Apostel Johannes in Kleinasien predigte. Im Artemis-Tempel in Ephesus (heute Ruinen bei Selcuk) wollte er nicht opfern, was mit dem Tode bestraft wurde. Die Griechen nannten die Göttin der Jagd Artemis, die Römer nannten die gleiche Göttin Diana. Es gab Unruhen unter den Goldschmieden, die fürchteten, ihre Amulette nicht mehr verkaufen zu können, wenn keiner mehr in den Tempel käme, um Diana-Amulette zu erwerben. Da reichte ihm ein heidnischer Priester Aristodemus einen Giftbecher und sprach: "Trinkst du den Becher ohne Schaden, so will ich an Jesus Christus glauben.“ Der Priester Aristodemus gab den Giftbecher zuerst zwei zum Tode verurteilten Mördern, die auf der Stelle starben. Johannes betete und schlug das Kreuz über den Becher. Da entwich eine Schlange, als Zeichen des Giftes, aus dem Kelch. Johannes trank den Becher ohne Schaden aus. Das wurmte den heidnischen Priester. Er sagte: "Noch habe ich Zweifel an der Macht deines Herrn, aber wenn du die zwei Mörder von den Toten erwecken kannst, will ich glauben." Johannes nahm seinen Mantel und deckte ihn über die beiden Toten und betete. Da wurden sie wieder lebendig, so als hätten sie nur geschlafen. Der Priester und alle Umstehenden wurden gläubig.
Apostel Sankt Bartholomäus (mit dem typischen Messer) Namenstag: 24. August
Schutzheiliger der Stadt Frankfurt am Main, der Buchbinder, der Gerber, der Fellhändler, der Lederarbeiter, der Handschuh- und Schuhmacher, der Schneider, der Metzger und der Weingärtner.
Als Jesus ihn traf, sagte er zu seinen Jüngern: "Das ist ein Israelit, an dem kein Falsch ist." Nathanael sagte zu Jesus: "Rabbi du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels." Er brachte die Lehre von Jesus Christus nach Indien und Armenien. Er starb als Märtyrer in Armenien, wo ihm der König Astyages die Haut bei lebendigem Leib abgezogen hat. Anschließend wurde er enthauptet. Viele Darstellungen zeigen Bartholomäus mit seiner eigenen Haut unter dem Arm. Die Rathenower Darstellung zeigt nur einige runde Hautdefekte an den Füßen des Heiligen. Seine Hirnschale wird im St. Bartholomäus-Dom in Frankfurt am Main aufbewahrt. Die Legende erzählt, dass er besonders viele Wunder tun konnte. In Armenien ist er in einen heidnischen Tempel gegangen und sprach gegen die Götzenbilder. Daraufhin fuhr der Teufel aus dem Tempel und die Götzenbilder zerbrachen.
Literatur:
1. Dr. Heinz-Walter Knackmuß: Der gotische
Marienaltar, 2. Auflage
2. Jiri Fajt: Böhmen und die Mark Brandenburg, Offene
Kirchen 2010
3. Albert Bichler: Das Kinderbuch der Heiligen und
Namenspatrone, 2. Auflage 1996, Echter Verlag,
Würzburg
4. Carlo Melchers: Das große Buch der Heiligen, 1996,
Cormoran-Verlag, München
Copyright:Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Eine Restaurierung des Marienaltars von 2023-2025 soll 162.000,00 € kosten. Dafür hat der Förderkreis eine Spendenaktion am 14.09.2024 gestartet und bittet um die finanzierung der Restarierung. Der Spender erhält für 25,00 € eine Marien-Urkunde.
Spenden für die Restaurierung des Altars an:
IBAN: DE07160919940001070100
Kennwort: Marienaltar
Die barocke Kanzel in der
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
in Rathenow
von. Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Blick auf die Kanzel
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche hatte seit 1709 eine barocke Kanzel, die von Johann Vorberg geschnitzt worden war. Johann Vorberg kam aus Reval (Livland). Reval ist der deutsche Name für die heutige estnische Hauptstadt Tallin. Er lebte aber schon längere Zeit in der Altmark. Er hatte die Kanzeln in der Kirche in Kalbe/Milde und in der Kirche in Neuendorf am Damm (1694) geschnitzt und erwarb am 10.08.1696 Stadtrechte in Stendal. Er schloss 1697 die Ehe mit Maria Ahrens in Stendal in der St. Marienkirche. 1709 schnitzte er im Barockstil die Kanzel der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow. Sie soll eine Kopie der Kanzel in der Kirche von Neuendorf am Damm gewesen sein.
1. Neuendorf am Damm
In Neuendorf am Damm ist von der ganzen Kanzel nur noch der Kanzelträger Mose und der Kanzelkorb erhalten. Es ist ein grobe Schnitzarbeit. Mose trägt die Gesetzestafeln an der linken Körperseite. Die zehn Gebote werden mit römischen Ziffern auf den zwei Tafeln dargestellt, wobei für das vierte Gebot nur vier Striche genommen werden. Die farbige Bemalung der Holzfigur und der Kanzel geben uns aber eine Vorstellung von der lebendigen Wirkung der ebenso bunt bemalten Kanzel in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche, denn die Kanzel in Parey an der Elbe weist diese Farbenvielfalt nicht auf.
2. Parey
Als im Jahre 1700 der Schulmeister Bartholomäus Voigt in Parey an der Elbe eintraf, fand er eine am 15.10.1699 neu eingeweihte Steinkirche vor, die die alte Holzkirche abgelöst hatte. Da auch das Innere der Pareyer Kirche ausgestaltet werden musste, beauftragte man den Bildhauer Johann Vorberg mit der Herstellung des Altars und der Kanzel. Die ostelbischen Dörfer wurden damals von den Gutsherren beherrscht, die auch meist die Patrone und Geldgeber für die Kirchenbauten waren. Zur Dorfhierarchie gehörten neben dem Gutsherrn, der Pfarrer, der Schulmeister und die größten Bauern. In Parey befanden sich damals zwei Rittergüter. Das Rittergut I gehörte dem Freiherrn von Plotho und das Rittergut II dem Kammerherrn von Plotho. Natürlich gehörte die Kanzel und der Altar zu den Aufgaben, die Johann Vorberg auszuführen hatte.
Die überreich mit Schnitzwerk versehene Kanzel zeigt die große künstlerische Fertigkeit des Johann Vorberg. Mose ist nicht so prächtig ausgeführt wie in den Kanzeldarstellungen in Neuendorf oder in Rathenow. Die Farbigkeit der beiden Kanzeln hat hier einer schlichten Beize in Braun weichen müssen. Der schlanke Körper des Mose kann kaum die Last des Kanzelkorbes tragen. Auch sind die 10 Gebote wörtlich zitiert und nicht wie in den andern beiden Kanzeln nur in römischen Ziffern dargestellt. In Parey an der Elbe werden die Gesetzestafeln rechts vor dem Körper gehalten.
Geht man davon aus, dass der Altar und die Kanzel um 1700 entstanden sind, so ist eine deutliche Verfeinerung des Schnitzwerkes im Vergleich zu der in Neuendorf am Damm 1694 entstandenen Kunstwerkes festzustellen. Das Gewand des Mose ist viel eleganter dargestellt. Ein Stab ist neu hinzugekommen. Inwieweit in Neuendorf am Damm viele Dinge der ursprünglichen Kanzel auch so vorhanden waren, kann nicht mehr eruiert werden, weil bis auf Mose als Kanzelträger nichts mehr vorhanden ist. Noch feiner ist dann die Kopie der Neuendorfer Kanzel für Rathenow ausgefallen, sodass hier eine Entwicklung des Künstlers zu sehen ist, die zeigt, dass sein Können doch kleinen Änderungen unterlegen war.
3. Rathenow
Die barocke Kanzel von Johann Vorberg soll eine Kopie der Kanzel in der Kirche in Neuendorf am Damm gewesen sein. Wie man aber an den Fotos deutlich erkennen kann, ist sie doch etwas anders gearbeitet. Es scheint, als hätte Johann Vorberg hier eine gereifte Meisterschaft an den Tag gelegt, die bei der Neuendorfer Kanzel noch nicht so deutlich zu erkennen war. 1694 wurde die Kanzel in Neuendorf am Damm geschaffen, 1700 die Kanzel in Parey und 1709 die Kanzel in Rathenow. 15 Jahre später hat der Johann Vorberg doch eine andere Auffassung bei der Behandlung der gleichen Thematik gehabt. Die Figuren sind viel feiner und eleganter geschnitzt. Das ist auch schon in Parey zu erkennen und erreicht in Rathenow den Höhepunkt der Darstellung. Die Gesetzestafeln werden wie in Parey rechts vom Körper gehalten, aber nicht wie in Parey mit dem Text der Tafeln, sondern es findet sich nur die symbolische Darstellung in lateinischen Ziffern. Hier wird aber das vierte Gebot nicht mehr mit vier Strichen sondern nach dem üblichen lateinischen Modus fünf minus eins dargestellt. Auch hier ist eine Veränderung deutlich. Die Rathenower Kanzel war viel größer als sonst üblich. Neben Mose als Kanzelträger gibt es noch eine umkränzte Säule, die praktisch einen zweiten Kanzelkorb trägt. Mose ist sehr fein dargestellt. Die Falten seines Umhangs sind sehr sorgfältig gearbeitet. Das schwarze Haar und der schwarze Bart zeigen einen energischen jungen Mann, der von der Ernsthaftigkeit seines Tuns tief geprägt ist. Es war ja auch eine Lebensaufgabe für ihn, das Volk Israel gegen den Willen des Pharaos zu befreien und durch die vierzigjährige Wüstenwanderung nach Israel zu führen. Auch musste er wie Thomas Mann schreibt aus einem „ Pöbelvolk“ das Volk Gottes machen. Da er wie ein Prinz am Hofe des Pharaos erzogen worden war, hatte er natürlich alle Hochschulen des Landes Ägypten besucht und war dem einfachen Volk, was Bildung und Kultur anbetraf, um ein vielfaches überlegen. Selbstverständlich hatte er von den Arztpriestern auch hygienische Vorschriften gelernt, die dem einfachen Volk fremd waren. All dieses Wissen versuchte er nun dem Volk Israel zu vermitteln. Ein schweres Unterfangen, denn natürlich verrichten sie ihre Notdurft, dort wo sie waren, natürlich aßen sie alles Fleisch, natürlich war ihnen der geschwisterliche Beischlaf bekannt. Und nun kam Mose und forderte bei Strafe, ihre Notdurft außerhalb des Lagers zu verrichten und dazu auch noch ein Schäufelchen zu benutzen, dass alles verscharrt werden konnte. Sie durften keine bestimmten Tiere mehr essen, sie durften nicht mehr mit Geschwistern die Ehe schließen. Alles war neu für sie und Mose scheute sich auch nicht, seine neuen Verordnungen mit Gewalt durchzusetzen.
Es bedurfte einer strengen Hand, um dieses Volk zu erziehen. Und die Rückschläge blieben ja auch nicht aus, wie die Bibel uns berichtet. Ein rastloser Mann, den Johann Vorberg hier mit den Gesetzestafeln geschnitzt hat und der das Fundament des jüdischen-christlichen Glaubens schafft und der auch im Islam verehrt wird. Also drei große Weltreligionen, die heute noch die Worte des Mose studieren.
Auf dem oberen Foto ist deutlich die Zweiteilung der Kanzel zu erkennen, die offenbar nur in Rathenow so errichtet wurde. Das Schnitzwerk und die Verzierungen haben hier einen Höhepunkt in Vorbergs Schaffen erreicht. Es gibt leider kaum farbige Aufnahmen oder Gemälde von der Rathenower Kanzel. Die einzig mir bekannte handkolorierte Ansichtskarte aus der Sammlung Dr. Hans-Hermann Schultze in Rathenow ist doch ziemlich ungenau, was die Einzelheiten anbetrifft.
Die Kanzel und die Apostel waren in den Farben weiß, hellblau und gold bemalt worden.
Die zwölf Apostel, die den Aufgang zieren und rund um den Kanzelkorb angebracht sind, stehen auf einem Podest, das den Namen des entsprechenden Apostels vermerkt. Jeder Apostel steht in einer halbrunden Nische und hat die Insignien bei sich, die ihn als solchen kenntlich machen.
Die 12 Apostel der barocken Kanzel
Kanzelaufgang (von unten)1. Heiliger Bartholomäus (rechte Hand Schindermesse, linke Hand Buch)
2. Heiliger Matthäus (rechte Hand mit Schreibfeder, linke Hand ein aufgeschlagenes Buch)
3. Heiliger Lucas (rechte Hand aufgeschlagenes Buch, linke Hand umfasst einen Griff mit Tierfigur) Name am Podest zu lesen S. Lucas
4. Heiliger Petrus (rechte Hand mit Buch, linke Hand mit Himmelsschlüssel) Name am Podest zu lesen S. Petrus
Säulenkorb (von links)1. Heiliger Andreas mit Andreaskreuz
2. Heiliger Judas Thaddäus (rechte Hand ein Buch, linke Hand eine Lanze) Name am Podest zu lesen S. Judas
3. Heilige Simon (rechte Hand ein Buch und linke Hand eine Säge) Name am Podest zu lesen S. Simon
Mosekorb (von links)1. Heiliger Thomas (rechte Hand zeigt leer nach oben, linke Hand mit Buch) Name am Podest zu lesen S. Thomas
2. Heiliger Jakobus der Ältere mit Schwert (Maurentöter) Das Schwert fehlt auf manchen Fotos.
3. Heiliger Johannes (Rechte Hand mit Buch, linke Hand mit Kelch) Name am Podest zu lesen S. Johannes
4. Heiliger Philippus Rechte Hand mit Buch , linke Hand mit Axt) Name am Podest zu lesen S. Philippus
5. Heiliger Jakobus der Jüngere (in der rechten Hand ein Buch, linke Hand eventuell Tuchwalkerstange) Keine Symbole auf den Fotos exakt zu erkennen.
In der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 wurde die Sankt-Marien-Andreas-Kirche von der Sowjetarmee unter Führung des Leningrader Hauptmanns Wladimir Nasarowitsch Jegorow mit Brandgranaten beschossen und brannte völlig aus. Das einstürzende Dach begrub auch dieses einmalige Kunstwerk. Jegorow wohnte nach dem Ende des Krieges 1945 in Rathenow. Seine zweite Tochter ist in Rathenow geboren.
1996 hat sich ein Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. gebildet, dessen Hauptaufgabe es ist, den Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche zu betreiben. Dem Förderkreis ist es gelungen, mit Spenden die Fenster im Chorraum der Kirche als Kunstwerke neu zu finanzieren, 2002 den Turm wieder aufzubauen und 2010 die Kreuzgewölbe im Mittelschiff neu aufzubauen sowie das marode Dach des Mittelschiffes neu zu decken. 2011 wurden die Kreuzgewölbe in der Marienkapelle neu errichtet und die Fenster im Kirchenschiff mit 5 mm dickem Goetheglas in Rautenform neu verglast sowie das Dach der Andreaskapelle saniert und ein neues Templerkreuz von Rolf Eißer auf die Spitze gesetzt. In einer Vereinbarung mit der Sankt-Marien Andreas-Gemeinde hat der Förderkreis ein Positionspapier verabschiedet, dass die Kirche so aufgebaut werden soll, wie sie vor der Zerstörung im Jahr 1945 gewesen ist. Das bedeutet auch den Wiederaufbau der Kanzel nach den Vorlagen von Johann Vorberg. Nach einer Kostenschätzung der Tischlerei Spatzier in Wiesenburg (Mark) vom 14.09.2018 belaufen sich die Kosten auf 1.090.613,24 €. Dieses Projekt soll als Option nicht außer Acht gelassen werden. Allen Spendern, die am Aufbau der Kirche zum Lobe Gottes bisher beteiligt waren, sei herzlich für ihr Engagement gedankt. Das Wahrzeichen der Stadt Rathenow, die Sankt-Marien-Andreas-Kirche, hat alle Kräfte der Stadt zusammengeführt und ohne diese Hilfe und Gottes Segen, ist diese riesige Aufgabe nicht zu schaffen. Spenden sind für die Nachschnitzung der barocken Kanzel immer willkommen:
Spenden für die Nachschnitzung der barocken Kanzel an:
Förderkreis
IBAN: DE07160919940001070100
Kennwort: Kanzel
Ich danke
Christiane Wagner, Parey an der Elbe,
Rolf Sobel, Neuendorf am Damm,
Dieter Seeger, Rathenow ,
Sebastian Haase, Berlin
für die freundliche Unterstützung der Arbeit.
Sebastian Haase hatte uns 2014 Fotos von seinem Großvater Karl-Heinz Maess vom Fotografen Hermann Ventzke überlassen, die eine Zuordnung der einzelnen Apostel im Treppenaufgang und um die beiden Kanzelkörbe ermöglichten.
Literatur: Gerhard Voigt: Das Schulmeistergeschlecht Voigt in der früheren Provinz Sachsen im Elb-Havel-Winkel 1700-1860, Bremen, Selbstverlag des Verfassers, 1991
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Der romanische Kelch
der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
1. Die Geschichte des Kelchs
Der spätromanische Abendmahlskelch und der dazu gehörige Brotteller (Patene) ist aus vergoldetem Silber und stammt wahrscheinlich aus Niedersachsen und wird in seiner Herstellung auf das Jahr 1260 oder 1280 datiert. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) soll der Kelch auf dem Rathenower Friedhof vergraben worden sein. Da der Krieg sich aber über so viele Jahre hinzog, starben die Menschen, die ihn vergraben hatten und das Versteck geriet in Vergessenheit. Als 1637 Matthias Lüssow als neuer Superintendent, den man damals Inspektor nannte, nach Rathenow kam, hatte er an einem Tage bei hellem Licht eine Vision. Ein unsichtbarer Begleiter führte ihn über den Friedhof und blieb vor einem alten Grab stehen, aus dessen Tiefe ein goldener Kelch leuchtete. Als Matthias Lüssow bei alten Gemeindemitgliedern herumfragte, hörte er nur vage Gerüchte. Er ließ trotzdem an der Stelle graben und fand in großer Tiefe den goldenen Kelch und andere Abendmahlsgeräte in einer Holzkiste. Nach vielen Jahren der Benutzung geriet der kostbare Kelch in Vergessenheit. Das Gold war im Laufe der Jahre abgeputzt und der Kelch wurde unbeachtet in einem Schrank der Sakristei aufbewahrt. Ein neuer Kelch für 150,00 Mark war für die Feier des Abendmahls angeschafft worden. Eines Tages besichtigte ein Kunstkenner die Kirche, sah den alten Kelch und meinte, er sei von höchstem Wert. Der Gemeindekirchenrat entsandte ihn deshalb zum Leiter des Kunstgewerbemuseums in Berlin, Professor Lessing. Professor Lessing schätze ihn auf 5.000,00 Goldmark und bedauerte, dass das Museum ihn zurzeit nicht kaufen könne. Nach dieser Expertise wurde der Kelch im Tresor aufbewahrt und nur für das erste Abendmahl der Konfirmanden benutzt. 1914 bot ein Kunsthändler für den Kelch 15.000,00 Mark. Da die Gemeinde für den Neubau einer zweiten Kirche Geld benötigte, war die Versuchung groß, den Kelch zu veräußern. Nach internen Überlegungen wurde dem Käufer mitgeteilt, dass der Kelch unter 30.000,00 Mark nicht zu haben sei. Daraufhin erschien ein zweiter Kunsthändler, der angeblich im Auftrag eines holländischen Grafen 30.000,00 Goldmark und etwas später 50.000,00 Goldmark bot. Außerdem würde er bei einer Düsseldorfer Firma eine Kopie für 1.500,00 Mark in Auftrag geben, die nur ein Kenner vom Original unterscheiden könnte. 2.000,00 Mark wollte der Kunsthändler dem Superintendenten Georg Heimerdinger persönlich überreichen. Nach einer hitzigen Debatte im Gemeindekirchenrat war bei der Abstimmung Stimmengleichheit entstanden. Der Superintendent, Georg Karl Heimerdinger,
gab letztendlich mit seiner Stimme den Ausschlag für das Verbleiben des Kelchs in der Gemeinde. Wenig später kam es zur Inflation, so dass das angebotene Geld keinen Wert mehr gehabt hätte.
Superintendent
Karl Georg Heimerdinger
(* 01.06.1875 - † 05.11.1967)
Der Rathenower Pfarrer Ernst Detert gehörte im Zweiten Weltkrieg der Bekennenden Kirche an, die während der Nazi-Zeit gegen die Verfälschung des Evangeliums auftrat. Als im April 1945 die russischen Truppen sich immer mehr der Stadt näherten, musste man damit rechnen, dass sie, wie überall sonst, plündern und rauben würden. Pfarrer Detert wusste, dass sich der Abendmahlskelch im Tresor des Kreishauses am Kaiser-Wilhelm-Platz befand. Als der Beschuss auf Rathenow schon begonnen hatte, nahm er sein Fahrrad und begab sich vom Kirchplatz zum Kreishaus. Er musste immer wieder Zuflucht in einem Torweg suchen, um nicht von einer Kugel getroffen zu werden. Er kannte den Hausmeister im Kreishaus, der ihm den kostbaren Kelche aus dem Tresor übergab. Er steckte ihn in seine Talartasche und stellte alles auf den Gepäckständer seines Fahrrades und radelte wieder zurück zum Kirchplatz. Die Rückfahrt war zufällig in einer Angriffspause und verlief deshalb unkompliziert. Aber nun stand er vor dem Problem, wo man den Abendmahlskelch vor den marodierenden Soldaten verstecken sollte? Der Kelch konnte zwar auseinander geschraubt werden, aber in seinem Etui konnte er unmöglich aufbewahrt werden. Die Idee, ihn im Garten zu vergraben, wurde schnell verworfen, auch ihn im Hühnerfutter zu verstecken, schien nicht sehr realistisch. Pfarrer Ernst Detert hatte in seiner Wohnung eine Bibliothek mit Tausenden von Büchern. So versteckte er die drei Teile des Kelches hinter den Büchern der Bibliothek. Als die russischen Soldaten nach Rathenow kamen, haben sie Uhren, Ringe und alles Erdenkliche mit Gewalt an sich gebracht. Auch wurde der Pfarrer mit seiner Familie gezwungen, das Pfarrhaus zu verlassen und nach Stechow zu fliehen. Als er nach zwei Tagen ins Pfarrhaus zurückkehren durfte, sah er, dass alles geplündert und geraubt worden war, aber den Kelch hinter den Büchern hatte man nicht entdeckt. Nach mehreren Monaten gab es wieder eine Eisenbahnverbindung von Rathenow nach Berlin und Pfarrer Ernst Detert brachte den kostbaren Kelch zur neuen Kirchenleitung nach Westberlin in die Jebensstraße 3, wo er im Tresor blieb, bis ruhigere Zeiten die Rückkehr des Kelches nach Rathenow erlaubten. 1967 wurde der Kelch anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Kunstgewerbemuseums in Berlin-Köpenick in einer Sonderausstellung gezeigt. Vom 31.08. - 06.12.2009 wurde der Romanische Kelch als einer der Schönsten in der Ausstellung
„ Aufbruch in die Gotik“ im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg präsentiert. Bei feierlichen Gottesdiensten wird der Kelch heute aus einem Tresor geholt und dient wie seit über 700 Jahren seiner eigentlichen Bestimmung, Körper und Blut von Jesus Christus in Gestalt von Brot und Wein den Christen in Rathenow zu reichen. Durch diese Abendmahls -gemeinschaft mit dem lebendigen Christus ist auch die Rathenower Gemeinde mit allen Christen verbunden, die seit über 700 Jahren von diesem Brotteller (Patene) gegessen und aus diesem Kelch getrunken haben.
2. Die äußeren Maße des Kelches
Kelch und Brotteller (Patene) bestehen aus vergoldetem Silber. Die Höhe des Kelchs beträgt 19,5 cm, der Kelch hat einen Durchmesser von 14,8 cm und der Fuß hat einen Durchmesser von 16,5 cm. Der Brotteller (Patene) hat einen Durchmesser von 20 cm, wobei ein 3 cm breiter Rand eine im Durchmesser 14 cm umfassende Vertiefung umgibt. Der Kelch besteht aus dem Fuß, dem Schaft mit reich verzierten Knoten oder Knauf (Nodus) und der Schale (Kuppa). Alle drei Bestandteile des Kelchs sind miteinander verschraubt. Er wirkt recht breit und kurz. Erst in der Gotik werden die Kelche schlanker und eleganter. Die reiche Verzierung des Kelches zeigen Filigran, Stanz- und Treibarbeiten, Punzieren und Gravieren. Auf den Außenseiten des Kelchs sind vier Bilder in einem Kreis eingraviert.
3. Die erste Szene auf der Kelchschale
Die Szene stellt Adam und Eva im Paradies mit dem Apfelbaum dar. Eva reicht Adam einen Apfel. Um den Baumstamm windet sich die Schlange. Das Bild trägt die lateinische Unterschrift: HIC SERPESENS ET EVA FIT AO E PERSVASIO SEVA.(Diese Schlange wird der Eva und dem Adam zu einer schrecklichen Verführung).
Das Bild nimmt Bezug auf das Alte Testament in der Bibel (1. Mose 3), wo es heißt: "Die Schlange war das klügste von allen Tieren, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie fragte die Frau: "Hat Gott wirklich gesagt: "Ihr dürft die Früchte von den Bäumen im Garten nicht essen?" "Natürlich dürfen wir sie essen", erwiderte die Frau, "nur nicht die Früchte von dem Baum in der Mitte des Gartens. Gott hat gesagt: "Esst nicht davon, berührt sie nicht, sonst müsst ihr sterben!" "Glaubt doch das nicht", sagte die Schlange", auf keinen Fall werdet ihr sterben! Aber Gott weiß: “Sobald ihr davon esst, werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet alles wissen, genau wie Gott. Dann werdet ihr euer Leben selbst in die Hand nehmen können." Die Frau sah den Baum an: er war prächtig, seine Früchte sahen verlockend aus, und man sollte auch noch klug davon werden! Sie pflückte eine Frucht, biss davon ab und gab sie ihrem Mann, und er aß auch davon. Da gingen den beiden die Augen auf, und es wurde ihnen bewusst, dass sie nackt waren. Deshalb flocht sich jeder aus Feigenblättern einen Lendenschurz. Am Abend, als es kühler wurde, hörten sie, wie Gott, der Herr, durch den Garten ging. Sie versteckten sich zwischen den Bäumen. Aber Gott rief den Menschen: "Wo bist du?" Der Mann antwortete:" Ich hörte dich kommen, da bekam ich Angst und versteckte mich, weil ich nackt bin!" Wer hat dir das gesagt?" fragte Gott. "Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?" Der Mann erwiderte: "Die Frau, die du mir gegeben hast, reichte mir eine Frucht, da habe ich gegessen." Gott fragte die Frau: "Warum hast du das getan?" Sie antwortete:" Die Schlange ist schuld, sie hat mich dazu verführt."..... Dann vertrieb er (Gott) den Menschen aus dem Garten Eden. Denn er dachte:" Nun ist der Mensch wie einer von uns geworden, und alles Wissen steht ihm offen. Es darf nicht sein, dass er noch vom Baum des Lebens isst. Sonst wird er ewig leben! Er soll den Ackerboden bebauen, aus dem er gemacht worden ist." Den Eingang des Gartens ließ Gott durch die Cherubim und das flammende Schwert bewachen. Kein Mensch sollte zum Baum des Lebens gelangen.
4. Die zweite Szene auf der Kelchschale
Das zweite Bild zeigt Abraham, wie er seinen Sohn Isaak opfern will. Isaak befindet sich mit verbundenen Augen auf dem Altar, während Abraham mit dem Messer in der Hand auf seinen Sohn zugeht. Im Alten Testament wird im 1. Buch Mose 22 der Sachverhalt erzählt: "Als Isaak größer geworden war, wollte Gott Abraham auf die Probe stellen. "Abraham!" rief er. " Ja, ich höre", erwiderte Abraham." Nimm deinen Sohn", sagte Gott, „ deinen einzigen, der dir ans Herz gewachsen ist, den Isaak! Geh mit ihm ins Land Morija auf einen Berg, den ich dir nennen werde, und bringe ihn mir dort als Brandopfer dar." Abraham gehorcht und als er gerade dabei war, seinen Sohn zu opfern, rief ein Engel: "Abraham, Abraham, halt ein!....Jetzt weiß ich, dass du Gott gehorsam bist." Die Unterschrift zu dem Bild lautet: VOX VENIT E CELIS PARET PATRIARCHA FIDELES (Eine Stimme kommt aus dem Himmel, der gläubige Patriarch ist gehorsam.) Die Geschichte wird auch als Hinweis auf den Kreuzestod Jesus verstanden.
5. Die dritte Szene auf der Kelchschale
Das dritte Bild erzählt die Geschichte, wie das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten von einer Schlangenplage in der Wüste heimgesucht wird.
Mose hatte, nachdem viele gestorben waren, eine Bronzeschlange errichtet und wer die Schlange anblickte, blieb am Leben. Im 4. Buch Mose 21, 4-9 heißt es: "Als die Israeliten vom Berg Horeb aus weiterzogen, wandten sie sich zunächst nach Süden, um das Gebiet der Edomiter zu umgehen, aber unterwegs verlor das Volk die Geduld, und sie beklagten sich bei Gott und bei Mose: "Warum habt ihr uns aus Ägypten weggeführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und dieses elende Manna hängt uns zum Halse raus!" Da schickte der Herr zur Strafe giftige Schlangen unter das Volk. Viele Israeliten wurden gebissen und starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: "Es war nicht recht, dass wir uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt haben. Leg doch beim Herrn ein Wort für uns ein, damit er uns von diesen Schlangen befreit!" Mose betete für das Volk, und der Herr sagte zu ihm: "Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!" Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde und auf diese Schlange sah, blieb am Leben. Die Unterschrift lautet: HIC SERPENS MITIS MEDICINA FIT ISRAHELITIS+ (Diese Schlange wird für die Israeliten zur süßen Medizin). Im übertragenen Sinne sieht man in der erhöhten Schlange Jesus Christus am Kreuz oder die geweihte Hostie (Abendmahlsbrot) als Körper Christi, wie sie während des Abendmahls vom Pfarrer hoch gehalten wird.
6. Die vierte Szene auf der Kelchschale
Abraham kommt zum Priesterkönig Melchisedek. Das Bild zeigt die Begegnung zwischen Abraham und dem Priesterkönig der Stadt Salem (Jerusalem) Melchisedek. Melchisedek wird als Priester des " Höchsten Gottes" bezeichnet. Abraham brachte dem Priesterkönig den Zehnten. Daraus wurde später das Zehntrecht für die Jerusalemer Priesterschaft abgeleitet. Melchisedek gilt als das Urbild des Priestertums Christi. Das Bild zeigt Melchisedek mit einem Kreuz auf der Brust vor dem Altar stehend. Abraham steht neben ihm und reicht ihm die Kriegsbeute in einem Tuch. Melchisedek gibt ihm den Kelch mit Wein und Brot. Der Bibeltext lautet (1.Mose 14,17-20): "Als er (Abram) nach seinem Sieg über Kedor-Laomer und die mit ihm verbündeten Könige zurückkam, zog ihm der König von Sodom ins Schawetal entgegen, das jetzt Königstal heißt. Melchisedek, der König von Salem (Jerusalem), brachte Brot und Wein heraus. Er war der Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: "Gesegnet sei Abram vom höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat.“ Daraufhin gab ihm Abram den Zehnten von allem.
Die Unterschrift lautet: „MELCHISEDECH RITE DAT ABRAM DVO MVNERA VITE" (Melchisedek gibt nach der rechten Ordnung dem Abram zwei Opfergaben zum Leben). Abram erhält erst nach dem Bund mit Gott (Beschneidung der Vorhaut aller männlichen Nachkommen) wie bei Mose 1,17,5 nachzulesen ist, den Namen Abraham (Vater der Menge).
7. Der Erzengel Rafael
Zwischen den Rundbildern sind die vier Erzengel als Brustbilder dargestellt. Unter den Engeln findet sich ein Flechtband, das neben dem Verbindenden und Schmückenden auch eine Art Schutz gegen das Böse in der Welt symbolisieren soll. Die Helferfunktionen der Engel werden dadurch noch deutlicher gemacht. Zwischen dem ersten und zweiten Rundbild ist der Erzengel Rafael mit segnenden Händen als Brustbild dargestellt. Die Menschen sollen durch ihn auf ihren Wegen geführt und beschützt werden. Zuerst Adam und Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies, dann Abraham bei der Opferung seines Sohnes Isaak. Über den Engel Rafael wird im Buch Tobit 5,6-29 und 12,14-21 der Bibel berichtet. Es heißt in Tobit 12,15: “Ich bin Rafael, einer der sieben heiligen Engel, die das Gebet der Heiligen emportragen und mit ihm vor die Majestät des heiligen Gottes treten.“
8. Der Erzengel Uriel
Zwischen dem zweiten und dritten Rundbild ist der Erzengel Uriel abgebildet. Er trägt das Buch des ewigen Evangeliums in seiner rechten Hand. In der Offenbarung heißt es in 14,6:“...Ein anderer Engel flog hoch am Himmel. Er hatte den Bewohnern der Erde das ewige Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern.“ In der linken Hand hält er ein Räucherfass. Dazu heißt es in der Offenbarung 8,3: „Und eine anderer Engel kam und trat mit einer goldenen Räucherpfannne an den Altar; ihm wurde viel Weihrauch gegeben, den er auf dem goldenen Altar vor dem Thron verbrennen sollte, um so die Gebete aller Heiligen vor Gott zu bringen.“ Im 4. Buch Mose 21,7 wird berichtet, dass die Leute zu Mose kamen und ihn baten, zu Gott zu beten, weil sie von den Schlangen gebissen wurden. Zu dieser Fürbitte des Mose wird der Engel Uriel dargestellt.
9. Der Erzengel Gabriel
Zwischen dem dritten und vierten Rundbild ist der Erzengel Gabriel als Halbbild zu sehen. Er wird immer als Überbringer von Gottes Segen und seinen Aufträgen an die Menschen dargestellt. So sendet ihn Gott nach Lukas 1,26 zu Maria, um ihr mitzuteilen, dass sie ein Kind empfangen wird. Die Lilie, mit der der Erzengel Gabriel dargestellt wird, weist auf die Reinheit Marias hin. Melchisedek begegnet Abraham ähnlich wie der Erzengel der Maria.
10. Der Erzengel Michael
Zwischen dem vierten und ersten Rundbild findet man den Erzengel Michael abgebildet. Er trägt einen Stein in der Hand. Seine Aufgabe ist es, die Menschen vor Feinden zu schützen. Der Engel schaut auf das vierte Rundbild, wo Abraham Melchisedek den Zehnten bringt. Abraham war siegreich aus dem Kampf gegen die Kedor-Laomer für seine Angehörigen und deren Besitz zurückgekehrt, und der Priesterkönig des Höchsten Gottes in Salem, Melchisedek, bringt ihm Brot und Wein, segnet ihn und sagt: “ ....gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat.“ (1. Mose 14,20). Auf der anderen Seite des Engels ist Adam und Eva zu sehen. Die Deutung ist wohl so zu sehen, dass der Erzengel Michael den Menschen auch nach der Vertreibung aus dem Paradies schützend zu Seite steht.
11. Der Fuß des Kelches
Auf dem Fuß des Kelches finden sich zwei Ovalbilder und zwei Rundbilder als getriebene Flachreliefs. Sie sind viel kleiner als die Bilder auf der Schale. Die Ovalreliefs liegen gegenüber. Oval bedeutet im Mittelalter ein Würdezeichen (die Mandorla) und wird fast nur für den im himmlischen Lichtkranz erhöhten Jesus Christus verwendet. Die Gottesmutter Maria ist die einzige, die ebenfalls selten so dargestellt wird. Das erste Ovalbild zeigt deshalb Christus als thronenden Weltherrscher mit dem Buch des Lebens in seiner linken Hand.
Christus als Weltherrscher
Das Ovalbild gegenüber zeigt die Gottesmutter Maria. Sie hat das Christuskind auf ihren Knien wie auf einem Thron sitzend. In der rechten Hand hält sie eine Lilie. Die beiden Ovalbilder verkünden das Heils-Sein der Erlösung. Sie erzählen keine Geschichten, sondern dienen der reinen Repräsentation.
Maria mit dem Kinde
Die beiden Kreisbilder stellen die Geburt Jesu und seine Kreuzigung dar. Dazu werden, wie im Mittelalter üblich, Maria und Josef dargestellt. Die Kreisbilder erzählen das Heilsgeschehen. Sie dienen im Gegensatz zu den ovalen Repräsentationsbildern der Verkündigung.
Geburt Christi
Kreuzigung Christi
In der Romanik gehörten zur Darstellung des himmlischen Christus und zur Kreuzigung die vier Evangelisten. Sie finden sich zwischen den vier Medaillons auf dem Fußkelch. Die Zuordnung der Evangelisten ist durch entsprechende Symbole möglich.
Matthäus wird mit einem Engel oder Menschen dargestellt.
Engel oder Mensch zwischen den Ovalbildern
Markus wird immer mit einem Löwen dargestellt.
Löwe zwischen den Ovalbildern
Lukas wird mit einem Stier dargestellt und
Stier zwischen den Ovalbildern
Johannes mit einem Adler. Die Tiere werden oft als geflügelte Wesen abgebildet.
Adler zwischen den Ovalbildern
Im Prophetenbuch Ezechiel (Hesekiel) heißt es zur Erscheinung Gottes im 1. Kapitel, Vers 10:“ Und ihre Gesichter sahen so aus: Ein Menschengesicht (blickte bei allen vier nach vorn), ein Löwengesicht bei allen vier nach rechts, eine Stiergesicht bei allen vier nach links und eine Adlergesicht bei allen vier (nach hinten).“
In der Offenbarung des Johannes 4,7 werden die Symboltiere genannt, die um den Thron Gottes stehen. “Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.“
12. Theologische Deutungen der Kelchdarstellungen
Immer wieder tritt die heilige Zahl Vier bei den Darstellungen des Kelchs auf. Vier alttestamentliche Kreisbilder auf der Schale, dazwischen vier Engel und vier Darstellungen auf dem Fuß und dazwischen die vier Evangelisten. Die heilige Vier stellt immer das Spannungsfeld zwischen Gott und der Welt dar. Wir kennen die vier auch in anderem Zusammenhang: Vier Jahreszeiten, vier Tageszeiten, vier Windrichtungen, vier Elemente (vier Urelemente, aus denen nach dem antiken Griechenland die Welt besteht), vier Flüsse des Paradieses, vier Buchstaben des Namen Gottes in der hebräischen Bibel. Darüber hinaus finden sich theologische Auslegungen bei der Deutung der Bilder auf der Schale und dem Fuß.
1. Durch Adam und Eva kamen die Sünde und der Tod und die Gottesferne auf die Menschen (Kreisbild auf der Schale) und durch die Geburt von Jesus (Rundbild auf dem Fuß) kommt die Gnade für die Menschen.
2. Abraham will in Gehorsam gegen Gott seinen Sohn Isaak opfern (Kreisbild auf der Schale). Das dazugehörige Fußbild ist die Gottesmutter Maria, die ihren Sohn präsentiert (Ovalbild auf dem Fuß)
3. Die erhöhte Schlange (Rundbild auf der Schale) rettet das Leben der Israeliten, wenn sie von einer Giftschlange gebissen wurden. Der gekreuzigte Jesus (Rundbild auf dem Fuß) bringt für die gläubigen Menschen ewiges Leben.
4. Melchisedek, der Priester des höchsten Gottes, gibt Abraham die Gaben zum Leben (Rundbild auf der Schale). Jesus Christus ist der Hohepriester und sitzt zur Rechten Gottes auf dem Thron als Weltherrscher (Ovalbild auf dem Fuß).
Die vier Engel auf der Schale des Kelchs stehen für die Diener Gottes. Die vier Evangelisten auf dem Fuß stehen für die Verkündigung der Heilslehre von Jesus Christus.
13. Der Brotteller (die Patene)
Der Brotteller ist aus Silber und vergoldet. Sein Durchmesser beträgt 14 cm. In der Tellervertiefung findet sich ein großes Bild der Heiligen Dreifaltigkeit eingraviert.
Der Brotteller
Es hat die Form eines sechsblättrigen Kleeblattes (Sechspassform). Zwischen den Bögen sind kleine dreieckige Zierecken eingraviert. Die heilige Dreifaltigkeit wird auch als Gnadenstuhl bezeichnet und stellt Gottvater auf dem Thron sitzend dar. Er hält den gekreuzigten Jesus auf seinem Schoß und stützt mit beiden Händen den Querbalken des Kreuzes. Zwischen Vater und Sohn ist eine Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes zu finden. Neben dem Haupt Gottes ist rechts und links folgende Inschrift eingraviert: SEDE PATER IN CRVCE FILIVS ALIDE SPIRIT „SANT“ (Auf dem Sitz der Vater, am Kreuz der Sohn, als Vogel der Heilige Geist).
Vater und Sohn tragen einen dreigeteilten Heiligenschein (Nimbus). Die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit (Trinität) Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist wird aber auch an der Dreiecksform der Zierecken sichtbar. Die heilige Zahl drei ist symbolhaft in vielen Formen auf diesem Bild zu erkennen. Auch der Sechspass enthält die drei zweimal.
Ich danke Günter Thonke für die Überlassung der Aufzeichnungen des in Schweden lebenden Sohns von Pfarrer Ernst Detert, Hans-Christoph Detert
Literatur:
1. Die Kunstdenkmäler des Kreises Westhavelland,
Berlin 1913
2. Hans-Christoph Detert: Der Kelch der St. Marien-
Andreas-Kirche in Rathenow
3. Dorothea Hallmann: Der romanische Kelch und seine
Patene in Rathenow,
Rathenower Heimatkalender, 1971
4. Georg Heimerdinger: 700 Jahre Geschichte der St.-
Marien-Andreas-Kirche Rathenow
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Der Meußsche Kelch
der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Wer unweit des Torhauses über den Rathenower Friedhof spaziert, findet dort das Grabmal von Johann Friedrich Meuß (*06.11.1741 - †18.07.1822), Pfarrer in Rathenow und auch seines Urenkels, dem Kaiserlichen Kapitän zur See Johann Friedrich Meuß, dem wir die Biografie seines Urgroßvaters verdanken. Der silberne Kelch wurde vom Magistrat der Stadt Rathenow anlässlich des 50. Amtsjubiläums als Pfarrer am 09.07.1819 an Pfarrer Meuß geschenkt und am 18.07.1822 von seinen Kindern der Kirchengemeinde überlassen.
1. Biografie des Pfarrers Johann Friedrich Meuß
Johann Friedrich Meuß wurde am 06. 11. 1741 als fünftes Kind und dritter Sohn des Bäckermeisters und Stadtverordneten in der Altstadt Brandenburg (Havel) Joachim Andreas Meuß und Frau Anna Elisabeth Schmidtsdorf geboren. Er besuchte die Saldresche Schule seiner Vaterstadt, die er am 02. 05. 1750 mit dem Zeugnis der Reife verließ, um sich in Halle an der Friedrich-Universität dem Studium der Theologie zu widmen. 1764 war er Lehrer an der Realschule in Berlin und bestand am 02. 06. 1769 als für Krusemark, Groß- und Kleinellingen zu berufender Pfarrer die Prüfung vor dem Oberkonsistorium. Die Berufung in diese Stelle wurde am 15. 06. 1769 bestätigt und im Juli wurde er als Adjunktus (Amtsgehilfe) des Pastors Hübner dort eingestellt. Im November 1775 mit Anna Juliane Rudolphi vermählt, wurde er am 23. 01. 1777 Witwer, nachdem ihm seine Frau am 14. Januar einen Sohn geschenkt, der sofort Johann Friedrich getauft, eine Stunde nach der Geburt verschied. In zweiter, im Jahre 1782 mit Ernestine Marie Sophie Lösecke, der jüngsten Tochter eines Pfarrers in Plaue geschlossener Ehe wurden ihm zwei Söhne in Krusemark geboren.
Ernestine Marie Sophie Lösecke und Johann Friedrich Meuß
Am 11. 03. 1790 wurde seine Berufung vom 27. 01. 1790 durch den Magistrat als Diakonus an die Stadtkirche St. Marien-Andreas-Kirche zu Rathenow vom Minister bestätigt.
"Seine Königliche Majestät von Preußen, unser allergnädigster Herr, lassen dem Magistrat zu Rathenow auf seinen Bericht vom 21ten V:M: gnädigst zur Resolution geben, dass die Wahl des Prediger Meuß zum Diaconus genehmigt wurde und der berufene seine Vocation zur Konfirmation einzureichen habe.
Gegeben Berlin den 7ten Jänner 1790" so heißt es im ersten Schreiben des Ministers.
Urkunde von 1790
Am 30. 04. 1790 siedelte er in sein neues Amt nach Rathenow über. Am 09. 07. 1819 konnte er unter reger Anteilnahme der Gemeinde sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum feiern, aus dessen Anlass König Friedrich Wilhelm III. ihn durch ein Glückwunschschreiben und die Verleihung des Roten Adler Ordens 3. Klasse auszeichnete.
Johann Friedrich Meuß hatte die Freude, die Kinder seines ältesten Sohnes, der sich in Rathenow als Kaufmann niedergelassen hatte, aufwachsen zu sehen. Er war in Rathenow Prediger bis zu seinem am 18. 07. 1822 ( im 81. Lebensjahr) infolge einer Verdauungsstörung erfolgten Tod. Am Sonntag vorher, dem 14. Juli hatte er noch kommuniziert und die Nachmittagspredigt gehalten, obwohl die Störung schon einige Tage bestand. Seine Frau war ihm am 04. 05. 1820 voran gegangen. Beide sind in der Hübnerschen Gruft beigesetzt, wo auch sein Krusemarker Amtsvorgänger ruht.
2. Der Rote Adlerorden
Nach dem Schwarzen Adlerorden war der Rote Adlerorden die zweithöchste Auszeichnung in Preußen. Der preußische Rote Adlerorden war von Georg Wilhelm, Erbprinz von Brandenburg-Bayreuth, am 17. 11. 1705 gestiftet worden. Er wurde in fünf Klassen und 43 Varietäten verliehen. Der Orden sollte an fürstliche Personen und hohe Herren von gutem Lebenswandel und unbedingter Aufrichtigkeit verliehen werden. Der Rathenower Pfarrer Johann Friedrich Meuß erhielt den Roten Adlerorden 1819 anlässlich seines 50jährigen Dienstjubiläums.
Der Rote Adlerorden
Im Rathenowschen gemeinnützigen Wochenblatt für alle Stände wird am 14. 07. 1819 folgendes berichtet. Der Prediger Johann Friedrich Meuß feierte am 9. Juli 1819 das seltene Fest des 50jährigen Amtsjubiläums. Bei der kirchlichen Feier anlässlich dieses Festes wurde der Jubelgreis vom Superintendenten Ewald, dem Prediger Duncker, von Magistratsmitgliedern und Deputierten der Stadtverordneten in die Kirche geführt. Der Magistrat schenkte ihm im Namen der Stadt Rathenow einen schön gearbeiteten silbernen Becher. Sowohl die vortrefflichen Reden des Predigers Ganzer aus Hohennauen als auch die Predigt des Jubelgreises selbst, rührte die sehr zahlreiche Versammlung aufs Höchste, heißt es in der Zeitung. Nach dem Festgottesdienst wurde im Deutschen Haus (heute in Rathenow, Berliner Straße 24) ein Mittagessen eingenommen, an dem Magistrat, Stadtverordnete, viele Bürger der Stadt und die zahlreiche Verwandtschaft des Greises teilnahmen. Während der Feier las der Prediger Ganzer ein Schreiben Seiner Majestät des Königs, des Ministers für geistliche Angelegenheiten und der Regierung zu Potsdam vor.
König Friedrich Wilhelm III. schrieb: „Ich habe auf die von der den 9ten d. M. Ihnen bevorstehenden Feyer Ihrer 50jährigen Amtsführung Mir geschehene Anzeige beschlossen, Ihnen den rothen Adler Orden dritter Classe als Anerkenntniß der vieljährigen treuen Erfüllung Ihres Berufes zu verleihen, und lasse Ihnen die Insignien desselben mit Meinem Glückwunsche hierbei übersenden. Berlin, den 2ten July 1819 Friedrich Wilhelm“
Der Sohn des Jubelgreises, der Landrat Meuß, der extra mit seiner Gattin aus Jüterbogk gekommen war, heftete nach Verlesung des Schreibens von König Friedrich Wilhelm III., den Orden dem Vater eigenhändig an. Daraufhin wurde ein einstimmiges Hoch auf den Prediger Meuß ausgebracht. Natürlich fehlte auch ein angemessenes zwölfstrophiges Festgedicht nicht.
„Unser würdiger Meuß feiert Sein schönstes Fest,
Dankend blickt Er zurück auf die durchwallte Bahn,
Eines halben Jahrhunderts,
Das Ihn lehren und wirken sah.“
heißt es in einem Vers.
In dem Schreiben des Ministers Altenstein heißt es: „An Herrn Prediger Meuß. Hochehrwürden in Rathenow. Da Seiner Majestät dem Könige bekannt geworden, dass Euer Hochehrwürden am 9ten d. M. Ihr 50jähriges Amts-Jubiläum begehen werden: so haben Allerhöchst-Dieselben in gnädiger Anerkennung des von Ihnen während Ihrer Amtsführung stets bewiesenen musterhaften Pflicht
Eifers, Ihnen den rothen Adler-Orden dritter Classe zu verleihen, und mir zu befehlen geruhet, Ihnen die Insignien desselben nebst dem beigefügten Allerhöchsten Handschreiben zu übersenden. Ich erfülle diesen Königlichen Auftrag mit großem Vergnügen und bezeige Euer Hochehrwürden auch meinerseits meine aufrichtige Theilnahme an der Freude, welche Ihnen die Feier eines so schönen Festes gewähren wird. Möge die göttliche Vorsehung Sie den Abend Ihrer Jahre in heiterer Ruhe verleben lassen und das freudige Zurückschauen auf Ihre lange, im Segen geübte, Amtswirksamkeit schon hier sein süßer Lohn ihrer Treue seyn. Berlin, den 4. July 1819
Der Minister der Geistlichen-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten Altenstein.“
Die Königliche Preußische Regierung schrieb: „An Herrn Prediger Meuß. Es ist uns zur Kenntnis gekommen, dass Ew. Hochehrwürden am 9ten July d, J. funfzigjähriges Amtsjubelfest begehen werden. Mit besonderem Vergnügen statten wir Ew. Hochehrwürden unsern theilnehmenden Glückwunsch ab, zu Ihrer, einen so ungewöhnlich langen Zeitraum hindurch, treu und unermüdet, und begleitet von der Liebe und dem Vertrauen Ihrer Pfarrkinder geführten Amtswirksamkeit. Gott verleihe Ihnen noch für längere Zeit Muth und Kräfte, im Segen fortzuarbeiten, gebe Ihnen einen heiteren Lebensabend im Kreise der Ihrigen und einst den höheren Lohn, welchen er seinem treuen Knecht verheißen hat. Potsdam, den 29ten Juny 1819.
Königliche Preußische Regierung, Erste Abteilung.“
Man wäre aber nicht in Preußen, wenn nicht zusätzlich eine Urkunde folgenden Inhalts beigefügt wäre:
Wir, Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen haben dem Prediger Meuhs zu Rathenow, den rothen Adler Orden dritter Classe verliehen, und erteilen demselben über den rechtmäßigen Besitz dieser Auszeichnung das gegenwärtige Beglaubigungs-Schreiben mit Unserer eignen Unterschrift und beygedrucktem Königlichen Imsiegel.
Berlin, den 2ten July 1819
Siegel
Friedrich Wilhelm
Urkunde von 1819
3. Der Meußsche Kelch
Der Kelch ist 19 cm hoch. Der Durchmesser des Kelches (Kuppa) beträgt 11 cm. Der Fuß hat einen Durchmesser von 9 cm. Der Stil hat eine Höhe von 7 cm. Um die Ornamentbänder sind doppelläufige oder einfache Riefenbänder.
Der Kelch
Der Kelch hat oben ein doppelläufiges Eichenblätterband. Unter den Inschriften befindet sich ein Band in Mäanderform. Darunter großen einzelne Eichenblätter einzeln nach oben zeigend als großes umlaufendes Muster gearbeitet. Darunter befindet sich als Abschluss ein feingearbeitetes Überkreuzband und ein abschließendes Kerbband.
Mehrere Inschriften
Zur 50jährigen Amtsfeier am 9ten July 1819
Dem innig verehrten Vater von C. und Ch. M
Der Kirche in Rathenow zur Erinnerung an ihren am 18. Jul. 1822 im 81.ten Jahre verstorbenen bis zu seiner letzten Lebensstunde in Amts Thätigkeit verbliebenen Diener den Prediger J.F. Meuß von den Söhnen des Verblichenen F. u. C. M.
Der Stiel beginnt mit einem Kordelband. Die Mitte weist ein doppelläufiges Eichenband auf, das von zwei Schrägbändern eingerahmt wird. Das untere Ende des Stiels stellt ein doppelläufiges Kreuzband dar.
Der Fuß
Zwischen den zwei Inschriften ist ein umlaufendes Band von doppelrispigen Blättern. Darunter befindet sich ein Band mit schrägen Einkerbungen. Unter der zweiten Fußinschrift sind zwei feingearbeitete Bänder, ein Punkteband und ein feines Kreuzband zu sehen. Am Fuß sind drei Prägestempel zu erkennen. Der erste Stempel zeigt 57, der zweite ein A und der dritte stellt eine oben abgegriffene Tierfigur, am ehesten als Hase zu deuten, dar.
Die Fußinschrift im oberen Bereich lautet:
Dem Ururenkel J.A. Meuß in dankbarer Erinnerung
Danksagung:
Ich danke Pfarrerin Gisela Opitz, geborene Meuß, (*07.04.1931 in Landsberg /Warthe -
† 21.01.2005 in Potsdam) für die Überlassung der Urkundenkopien und der oben genannten historischen Materialien. Sie war eine direkte Nachfahrin des oben beschriebenen Predigers Johann Friedrich Meuß. Ihr Vater war von 1945 -1952 in Rathenow Pfarrer.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Der Wiederaufbau der Kreuzgewölbe im Kirchenschiff der
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
1. Theologie in Stein
Die Kirchen wurden im Mittelalter streng nach Osten ausgerichtet. Aus dem Osten kommt das Licht (Ex oriente lux). Ich bin das Licht der Welt, sagt Jesus von sich. Im Osten befand sich bei fast allen Kirchen der Chorraum, der von den Gläubigen nicht betreten werden durfte. Nur die Priester durften das Allerheiligste betreten und hier das Heilige Abendmahl zelebrieren. In den katholischen und reformierten Kirchen hat sich dieses Verbot verloren. Nur in der griechisch-orthodoxen und russisch-orthodoxen Kirche gilt dieses Verbot bis auf den heutigen Tag. Die Gläubigen dürfen nur bis zur Ikonenwand. Hinter der Ikonenwand befindet sich der Chorraum mit dem Altar, der nur von den Priestern betreten werden darf. Die Rathenower Sankt-Marien-Andreas-Kirche hatte im Chorraum drei Kreuzgewölbe, die symbolisch für Gott als Trinität stehen: Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiliger Geist. Im Kirchenschiff befinden sich vier Sterngewölbe, die das Menschliche darstellen. Der Mensch besteht nach der mittelalterlichen Lehre, übernommen von Hippokrates, aus vier Elementen, Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Wenn ein Christ in die Kirche eintrat, kam er aus dem dunklen Westen des Turms, ging durch die vier Sterngewölbe, die ihn selbst darstellten und stand dann vor Gott, denn im Chorraum war durch die gotischen Fenster eine unvergleichliche Lichtfülle, die diesem Raum eine Leichtigkeit und Anmut gab, wie sie nur die Gotik vermitteln kann. Zählt man die drei Kreuzgewölbe im Chorraum und die vier Sterngewölbe im Kirchenschiff zusammen, kommt man auf die Heilige Zahl Sieben. Am siebten Tag hat Gott geruht und die Christen sollen am Sonntag Gott loben, anbeten und danken. Bei den Gewölben in der Kirche handelt es sich also auch um in Stein gefasste Theologie.
2.Kleinod märkischer Backsteinkunst
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow ist ein Kleinod märkischer Backsteinkunst. Ihre Anfänge reichen bis in das Jahr 1190. Eine romanische Kreuzbasilika stand in Rathenow. Die Wittelsbacher, als Markgrafen von Brandenburg, förderten in der Mitte des 14. Jahrhunderts besonders den gotischen Umbau der Kirche in Rathenow. Sie brachten die Gotik aus ihrer bayrischen Heimat mit und wir haben das Phänomen zu verzeichnen, dass durch die Backsteintechnik, die gotischen Umbauten in Brandenburg noch vor den Umbauten in Süddeutschland fertig wurden, denn die Sandsteinumbauten brauchen vergleichsweise viel mehr Zeit. Katharina, eine Tochter Kaiser Karls des IV., wurde am 19.03.1366 in zweiter Ehe mit dem Markgrafen von Brandenburg, Otto V. aus dem Geschlecht der Wittelsbacher in Prag verheiratet. 1380 stiftete sie als Markgräfin von Brandenburg den Marienaltar für die Rathenower Stadtpfarrkirche Sankt-Marien-Andreas und dieses Jahr wird auch als Abschluss des gotischen Umbaus für den kleinen romanischen Chorraum angesehen. 1517 -1535 war dann das Kirchenschiff ohne Gewölbe gotisch umgebaut worden, soweit die finanziellen Mittel reichten. Die Einwölbung des Kirchenschiffes mit vier kunstvollen Sterngewölben erfolgte aber erst 1562. Die Reformation hielt 1539 in Brandenburg ihren Einzug. Die finanziellen Mittel für die Sankt-Marien-Andreas-Kirche waren aber auch nach der Reformation offensichtlich so erheblich, dass Bauleute aus dem Sächsischen engagiert werden konnten. Die Rathenower Sankt-Marien-Andreas-Kirche weist in dieser Hinsicht eine Besonderheit auf, denn es ist in Brandenburg einmalig, dass eine nachreformatorische Einwölbung erfolgte und dass ein sehr aufwendiges Rippendekor verwendet wurde. Dieses Rippendekor ist zum Teil ohne Funktion, wie man es sonst nur im sächsischen Raum findet.
Kirche vor 1945
3. Der Zweite Weltkrieg
Diese Gewölbestrukturen blieben bis 1945 so erhalten. In der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 wurde die Kirche von Brandgranaten der Roten Armee getroffen und brannte völlig aus. Die beherzte Gemeinde baute sofort das zerstörte Kirchenschiff wieder auf. Es konnte am 06.09.1959 wieder in einem Festgottesdienst eingeweiht werden. Allerdings fehlten die vier Kreuzgewölbe, die durch Holzwolle-Leichtbauplatten (HWL), volkstümlich auch Sauerkohlplatten genannt, ersetzt worden waren. Die Seitenschiffe mit den Kreuzgewölben waren zum Glück unversehrt geblieben. Der Chorraum und der
Kirche 1990
Turm blieben als Ruine stehen
. Kirche 2010
4. Wiederaufbau der Kreuzgewölbe im Kirchenschiff (2009 -2010)
Der 1996 gegründete Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. hatte sich zum Ziel gesetzt, die Kirche zum Lobe Gottes wieder aufzubauen und zwar so, wie sie vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war. 2002 wurde mit Spenden des Förderkreises (287.000,00 €) der Turm wieder aufgebaut. 2009 erhielt die Kirchengemeinde in Rathenow Fördermittel, die es möglich machten, die vier Sterngewölbe im Kirchenschiff und das marode Dach zu erneuern beziehungsweise wieder aufzubauen.
Finanzierungsplan Summe
Fördermittel Bund/Land Brandenburg/Stadt Rathenow 300.000,00 €
Förderkreis zum Wiederaufbau der Kirche 250.000,00 €
Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz 125.000,00 €
Kirchenkreis Nauen-Rathenow 75.000,00 €
Aktion "Aus 2 mach 3" der Kirchenbank 66.000,00 €
Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde 10.000,00 €
Gesamtkosten für Dach und Gewölbe 826.000,00 €
Im Kirchenschiff wurde im Frühjahr 2009 ein Metallgerüst aufgestellt, dass zwei Arbeitsebenen trug. Die erste Arbeitsebene war für den Wiederaufbau der vier Sterngewölbe im Kirchenschiff gedacht und die zweite darüber gelegene Arbeitsebene war für die Sanierung des Gebälks und für die Dachdecker vorgesehen, denn es galt alte, morsche Balken auszutauschen und die Dachkonstruktion so zu verstärken, damit die Last der neuen Biberschwänze getragen werden konnte. In dem Metallgerüst waren vier separate Lehrgerüste eingelassen, die mit Holzbalken bis zum Boden des Kirchenschiffes reichten und keine Berührung mit dem Metallgerüst hatten. Die Kreuzgewölbe des Kirchenschiffes wurden auf diesen Lehrgerüsten aus Holz errichtet. Die Rippensteine des Kreuzgewölbes auf der Holzverschalung des Zimmermanns und die Kappensteine ohne Verschalung freihändig.
Rippenstein
Kappenstein
Weil dieses Aufmauern der Gewölbekappen ohne Holzverschalung vorgenommen wurde, durfte in dieser Bauphase keine Erschütterung auf die Gewölbe einwirken, was das Lehrgerüst aus Holz durch die höhere Elastizität des Holzes gewährleisten sollte. Da die mittelalterliche Bauweise nur noch von wenigen Firmen beherrscht wurde, hatten der Architekt Dr. Krekeler und die Baufirma Roland Schulze umfangreiche Vorarbeiten zu tätigen, die sich vom Frühjahr bis in den Herbst des Jahres 2009 hinzogen. Die theoretische Vorstellung war so, dass man vorhatte, vom Zimmermann ein Lehrgerüst aufbauen zu lassen, dass man je nach Bauabschnitt hin und her schieben könnte, um damit die vier Sterngewölbe im Schiff nach und nach aufzubauen. Bei den genaueren Recherchen stellte man aber fest, dass das Kirchenschiff kein symmetrisches Rechteck darstellt, sondern sich nach Westen zum Turm hin verjüngt. Die Sterngewölbe sehen zwar von unten gleich groß aus, die vier Lehrgerüste mussten aber vom Zimmermann vergattert (angepasst) werden, weil die Rippen zu den Sterngewölben unterschiedlich lang waren.
Das Lehrgerüst
Die theoretische Vorstellung von einem verschiebbaren Lehrgerüst musste auch deshalb fallen gelassen werden, weil von den Säulen im Kirchenschiff Rippen sowohl in das eine wie in das andere Kreuzgewölbe liefen. Die noch vorhandenen Rippensteine wurden bis zu ihren ursprünglichen Ansätzen verfolgt, um darauf die Rippen nach oben führen zu können. Als dies alles geklärt war, ging der Aufbau der Kreuzgewölbe im Kirchenschiff in atemberaubenden Tempo voran. Am 15.09.2009 setzte der Maurermeister Stefan Unkelbach den ersten Kreuzgewölbestein ein.
Die Rippen des Gewölbes sind fertig
Zunächst wurden die Rippen mit Kreuzgewölbesteinen auf der vorgegebenen Holzverschalung aufgemauert. Gleichzeitig wurden zwischen den Rippen die Kappensteine Schicht für Schicht gemauert und sofort von außen verputzt. Dabei wurde so vorgegangen, dass nur ein paar Schichten der Kappensteine gemauert wurden und man sich dann einem anderen Bauabschnitt zuwandte, damit der untere Teil etwas trocknen konnte. Die Rippensteine der Kreuzgewölbe bestehen aus kreuzförmigen Steinen. Man kann nur die tiefe Symbolik des Mittelalters bewundern – Kreuzgewölbe mit Kreuzsteinen aufzubauen. Die Firma Golem aus Sieversdorf bei Frankfurt an der Oder stellt diese schweren Kreuzgewölbesteine in Handarbeit einzeln her, indem der Ton in Formen gegeben wird und dann in den Brennofen kommt. Die Kappensteine werden ebenfalls in Handarbeit angefertigt. Der Ton wurde früher mit einem Teil Sägespäne vermischt und dann gebrannt, sodass ein leichter, poröser Kappenstein entsteht, weil die Holzanteile beim Brennen verbrannten. Heute benutzt man Fangstoffe, die als Abfallprodukt bei der Papierherstellung anfallen. Fangstoffe sind die Holzreste aus dem Papier, die dann beim Brennprozess verbrennen. Beim Mauern der Kappen muss man darauf achten, dass die Kappensteine vorher in Wasser getaucht werden. Sie saugen sich dann voll Wasser und trockenen mit dem Mörtel in gleicher Zeit. Würde man die Kappensteine nicht vorher wässern, ziehen sie aus dem Mörtel die Feuchtigkeit und das Gewölbe bricht zusammen. Ein Kreuzgewölbe trägt sich selbst und kann eine Last von 10 Tonnen tragen. Am Sonntag, den 27.06.2010, fand in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche ein Festgottesdienst zur Einweihung der vier neu aufgebauten Sterngewölbe im Kirchenschiff und zur Neueindeckung des Kirchenschiffes statt. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Erstes Sterngewölbe
Pfarrer Andreas Buchholz dankte im Festgottesdienst besonders den Bauleuten, die dieses kleine Wunder vollbrachten.
Die Städtische Musikschule Rathenow mit ihrer Direktorin Anke Heinsdorff gab am 30.06.2010 ein Konzert in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche unter der Schirmherrschaft der Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Martina Münch, mit dem Motto: Musikschulen öffnen Kirchen. Was den Menschen dabei auffiel, war die einmalige Akustik, die die Kreuzgewölbe diesem Kirchenraum geben. In 65 Jahren, also eine Generation lang, war das Wissen über die besondere Akustik im Kirchenschiff in Vergessenheit geraten. Es gab ein atemberaubendes Staunen der Zuhörer und der Künstler über den neuen, wunderbaren Klang in dieser alten “neuen“ Kirche. Die neue Kreuzgewölbe im Mittelschiff verleihen dem Kirchenraum durch die wohl abgewogenen Proportionen eine hervorragende Akustik. Die Konzerte in der Kirche werden dadurch zu einem besonderen Erlebnis.
Neue Sterngewölbe von 2010
Ein kleiner Teil der Kirche ist nun wieder zum Lobe Gottes neu erstanden. Die Rathenower Kirchengemeinde ist glücklich. In erster Linie ist sie dankbar für Gottes Segen, mit der diese Aufbauleistung möglich wurde, denn richtig hatte keiner mehr an den Wiederaufbau des Turms und der Kreuzgewölbe geglaubt.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Die Glocken
der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
1. Die älteste Glocke
Vor der Zerstörung durch den Brand im Jahr 1945 hing eine alte kleine Bronzeglocke aus der Romanik im Turm. Sie gab die Viertelstunden der Uhr an und war ansonsten wegen ihres hohen Alters außer Betrieb. Sie war ca. 30 kg schwer und trug auf der Außenseite einen Bischof mit einem Lamm und Christus sowie eine Frauengestalt eingeritzt. Die Form war die eines Zuckerhutes, wie man sie nur bei sehr alten Glocken findet. Durch den Brand wurde sie eingeschmolzen.
2. Die zweitälteste Glocke (Türkenglocke) - Die Legende von der Türkenglocke
Die älteste Glocke aus Bronze stammt aus dem 14. Jahrhundert. Sie wird „Türkenglocke“ genannt, wie alle Glocken, die aus dem Jahre 1400 stammen. Die Benennung verdanken sie den Eroberungskriegen der Türken um 1400. Die Türken schickten sich damals an, über den Balkan Europa zu erobern. Der Sultan Bajazeth, den man mit Beinamen Jildirim (Blitz) nannte, zog mit 20.000 Janitscharen als Kerntruppe und 100.000 Soldaten nach Europa. Die vereinten europäischen Christenheere unterlagen in einer Schlacht im Jahre 1396. Der Sultan ließ 10.000 Gefangene umbringen. Nach der Schlacht waren die europäischen Christen dem Heer des Sultans schutzlos ausgeliefert.
Da erkrankte Sultan Bajazeth an Gicht, die seine Arme und Beine unbeweglich machten. Er befahl den Rückzug seines Heers nach Konstantinopel und die europäische Christenheit feierte die Rettung des christlichen Abendlandes als ein Wunder Gottes.
Alle Glocken, die im Jahre 1400 zur Errettung vor den türkischen Eroberern aus Dankbarkeit in Deutschland gestiftet wurden, nannte man deshalb Türkenglocken. Die Inschrift dieser Glocke lautet: AVE MARIA. O REX GLORIAE, VENI CUM PACE. (Gegrüßet seist du Maria. O König der Herrlichkeit, komme mit Frieden.) Zwischen den Worten sind auf der Umschrift immer Lilien als Zeichen der Reinheit der Gottesmutter zu sehen. Hinter dem AVE MARIA ist die Kreuzigung Jesu dargestellt.
Die Türkenglocke
Am 20. Februar 1944 wurde sie aus Rathenow abgeholt und sollte zu Kanonen eingeschmolzen werden. Aber die Kriegsereignisse waren so dramatisch, dass es zu ihrer Einschmelzung nicht mehr kam. Pfarrer Ernst Detert fand sie in einem Glockensammellager in Hamburg wieder. Am 29. Juni 1952 konnte die Gemeinde sie bei einem feierlichen Gottesdienst in der alten noch voller Trümmer liegenden Kirche wieder in Empfang nehmen. Am 18. Oktober 2001 wurde die Glocke zur Reparatur nach Nördlingen (Bayern) gebracht. Nach der Sanierung kam sie im Frühjahr 2002 wieder in die Kirche und tönt nun mit den zwei neuen Bronzeglocken zum Lobe Gottes über das ganze Havelland. Sie ist mit dem eingestrichenen g minus 8/16 gestimmt. Erst mit dem Abschluss der Reparatur der Glocke im Jahr 2002 war der Wiederaufbau des Turms vollendet.
3. Die drittälteste Glocke
Diese Bronzeglocke war 1763 bei C.D. Heintze in Spandau (bei Berlin) gegossen worden und wog 1139 kg. Vielleicht war sie auch eine Dankesglocke nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, den Preußen gegen Österreich führte. Sie wurde leider im zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.
4. Die viertälteste Glocke
Diese Bronzeglocke entstand 1858 durch die Firma Hackenschmidt in Berlin durch Umguss aus einer älteren Glocke. Sie trug die Inschrift: DEUM LAUDO, VIVOS VOCO, FULGURA FRANGO, MORTUOS PLANGO. (Ich lobe Gott, ich rufe die Lebenden, ich breche die Blitze, ich beweine die Toten.) Darunter stand: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Die Glocke wurde ebenfalls im zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.
5. Die größere Nachkriegsglocke
Am 9. August 1953 konnte die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde die neue gusseiserne Glocke einweihen. Die größere Eisenglocke wog 1.600 kg (32 Zentner) und ist 1,25 m hoch bei einem Durchmesser von 1,55 m. Die Inschrift auf der Glocke lautet: „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn, denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen“ (Hosea 6,1). Darunter stand:“ Zusammen mit der kleinen Glocke für die St.-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow, gegossen im Jahre 1953, acht Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Not und Zerrissenheit des Vaterlandes.“
6. Die kleinere Nachkriegsglocke
Am 9. August 1953 konnte die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde die neue kleinere Eisenglocke gemeinsam mit der großen Eisenglocke einweihen. Sie wog 425 kg (8,5 Zentner). Sie war 90 cm hoch und hatte einen Durchmesser von 1,05 m. Die Inschrift auf der Glocke lautet: “O Land, Land, höre des Herrn Wort!“ (Jeremia 22,29) Darunter stand eine Vers von Superintendent Georg Heimerdinger (*01.06.1875 -
05.11.1967):
“Hoch über der zerstörten Stadt
man mir den Platz gegeben hat,
Zu läuten in den Erdenstreit
Den Frieden aus der Ewigkeit.“
7. Die große Bronzeglocke von 2001
Am 03. August 2001 sollte die große Glocke für die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow in der Kunstgießerei in Lauchhammer wie ihre kleinere Schwester in Anwesenheit des Ministerpräsidenten von Brandenburg, Dr. Manfred Stolpe, gegossen werden. Durch einen Kabelbrand des Motors, der den Schmelztiegel mit der Bronze kippen sollte, sodass die Bronze in die Formen fließen konnte, war der Guss nicht möglich. Der Ministerpräsident kam aus der Fabrikhalle und rief: „Ich bin nicht schuld. Ich bin nicht schuld.“ Die Form konnte aber gerettet werden und wurde nach Hessen gebracht. Am 28. September 2001 wurde eine neue Bronzeglocke in Sinn (Hessen) für die Sankt-Marien-Andreas-Kirche gegossen. Sie wiegt 1600 kg und hat einen unteren Durchmesser von 140 cm. Sie trägt die Inschrift: DEUM LAUDO, VIVOS VOCO, FULGURA FRANGO, MORTUOS PLANGO. (Ich lobe Gott, ich rufe die Lebenden, ich breche die Blitze, ich beweine die Toten.) Der Sinnspruch Vivos voco, Fulgura frango, Mortuos plango steht vor vielen Gedichten von Schillers Glocke. Außerdem enthält die Glocke die Aufschrift: DIESE GLOCKE WURDE ANLÄSSLICH DES WIEDERAUFBAUS DES TURMES IM ELFTEN JAHRE DES GEEINIGTEN DEUTSCHLANDS GEGOSSEN ANNO DOMINI 2001 GESPENDET VON HEINZ MUNDT. Am 18. Oktober 2001 wurde sie feierlich von der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde in Empfang genommen und auf ihren Platz im neu erbauten Glockenturm aufgehängt. Am 31.Oktober 2001 wurde sie in einem Festgottesdienst das erste Mal geläutet. Sie ist mit dem eingestrichenen d minus 10/16 gestimmt.
8. Die kleine Bronzeglocke von 2001
Am 03. August 2001 sollte die kleinere Glocke für die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow in der Kunstgießerei in Lauchhammer gegossen werden. Die Bronze (bestehend aus 78 % Kupfer und 22 % Zinn) wurde auf 1180 Grad Celsius erhitzt und sollte in Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Manfred Stolpe, in die vorbereitete Form fließen. Leider kam es zu einem Kabelbrand in der Anlage und der Guss konnte nicht stattfinden. Die Formen wurden nach Hessen gebracht und so wurde die kleine neue Bronzeglocke am 28.09.2001 in Sinn (Hessen) gegossen. Sie wiegt 940 kg und hat einen unteren Durchmesser von 115 cm. Sie trägt die Inschrift: GLORIA IN EXELSIS DEO ET IN TERRA PAX HOMINIBUS BONAE VOLUNTATIS. (Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried´ den Menschen seines Wohlgefallens.) Außerdem enthält die Glocke die Aufschrift: DIESE GLOCKE WURDE ANLÄSSLICH DES WIEDERAUFBAUS DES TURMES IM ELFTEN JAHRE DES GEEINIGTEN DEUTSCHLANDS GEGOSSEN ANNO DOMINI 2001 GESPENDET VON HEINZ MUNDT. Sie ist mit dem eingestrichenen f minus 8/16 gestimmt. Am 18. Oktober 2001 wurde sie feierlich von der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde in Empfang genommen und auf ihren Platz im neu erbauten Glockenturm aufgehängt. Am 31. Oktober 2001 wurde sie in einem Festgottesdienst das erste Mal geläutet.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Die Fenster im Chorraum der
Sankt-Marien-Andreas-Kirche
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
Einzige Farbinnenansicht der Kirche vor der Zerstörung
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche steht im Zentrum der Stadt Rathenow. Sie war ein in Jahrhunderten gewachsenes Kunstwerk und ist heute das Wahrzeichen der Stadt. Es wird vermutet, dass ihr Baubeginn 1190 gewesen ist, wenngleich sicher schon früher eine Holzkirche auf der höchsten Stelle der Stadt errichtet worden war. Das Gotteshaus hatte für die Rathenower eine zentrale Bedeutung. Mit allen ihren Gefühlen waren sie mit dieser Kirche verbunden. Die meisten Menschen waren in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche getauft, konfirmiert und getraut worden. Als die über und über mit Schutt bedeckte Kirche nach dem Angriff in der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 übrig blieb, schwand auch die letzte Hoffnung auf die Zukunft der Stadt. Aber dem beherzten Pfarrer Friedrich Korth und einer mutigen Schar von Gläubigen ist es zu verdanken, dass trotz der Notzeiten nach dem Krieg, die Kirche von Trümmern befreit werden konnte.
Pfarrer Friedrich Korth im Chor
beim ersten Gottesdienst in der von Schutt
geräumten Sankt-Marien-Andreas-Kirche
29.06.1952
Die Kirchen wurden im Mittelalter streng nach Osten ausgerichtet. Im Osten, wo die Sonne aufging und das Licht herkam, war das Allerheiligste – der Chorraum. Er war nur den Priestern vorbehalten und für Laien gesperrt, denn das Heilige Abendmahl wurde hier täglich gefeiert und die Wandlung des Brotes in den Leib Christi und des Weins in das Blut Christi vollzogen. Alle Gläubigen wollten diesem Wunder so nahe wie möglich sein. Erst im Laufe der Jahrhunderte hat sich das Verbot des Betretens gelockert und heute dürfen sowohl in den katholischen wie in den evangelischen Kirchen die Menschen in den Chorraum kommen.
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche hatte vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg einen gotischen Chorraum, dem im südlichen Teil eine Andreas-Kapelle und im nördlichen Teil eine Marienkapelle angegliedert war. Die Fenster des Chorraumes waren versetzt in schlichtem rot und blau gehalten und dienten wohl nur dazu, die Blendung durch den intensiven Tageslichteinfall zu mildern.
Chorraum 1990
Erst nach der Einheit Deutschlands am 03.10.1990 war es möglich, an den Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche zu denken. Das Konsistorium der Berlin-Brandenburgischen Landeskirche hatte wie bei der Dresdner Frauenkirche die Sächsische Landeskirche den Standpunkt vertreten, die Kirche solle als Mahnmal gegen den Krieg als Ruine stehen bleiben. Das war sicher in der DDR, wo die Möglichkeit eines Wiederaufbaus nicht gegeben und nicht angestrebt war, ein auf Konsens bedachter Trost für die Menschen. Die notdürftig gesicherte Kirche als Kriegsdenkmal stehen zu lassen, bedeutete aber auch, sie dem Verfall preiszugeben.
Chorraum 1990
1990 begann die Kirchengemeinde den Aufbau des Chorraumes zu planen und konnte 1995 die Fertigstellung des Chorraumes im Rohbau erreichen. Es fehlten aber noch die Fenster und es war die erste Spendenaktion des 1996 gegründeten Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. für die Fenster und den Wiederaufbau des Turms zu werben.
Der Chorraum wurde 1995 wieder aufgebaut
Eine Glaswerkstatt in Blönsdorf bei Belzig (Land Brandenburg) hat die Fenster nach den Entwürfen des Malers Gerhard Henschel hergestellt. Die Fenster sind Einzelkunstwerke und haben keinen inneren Zusammenhang eines Zyklus. Möchte man eine Einteilung der Fenster vornehmen, so kann man Jesus Christus im Mittelfenster als Bezug nehmen und die drei Fenster auf der Nordseite als alttestamentliche Themen ansehen und die vier Fenster auf der Südseite als neutestamentliche Themen. Jesus Christus ist der Mittler zwischen Altem und Neuem Testament. In der Glaswerkstatt sind vier Verfahren bei der Herstellung der Farbfenster benutzt worden. Die farbigen Glasscheiben entstehen, wenn farbiges Glas zu Ballons aufgeblasen wird und nach dem Erkalten wieder in große Scheiben geschnitten wird. Das mundgeblasene Glas kann man an den vielen kleinen Luftbläschen im Glas erkennen.
1. Verfahren
Die farbigen Glasscheiben werden nach der Vorlage des Künstlers zurecht geschnitten und in Blei eingefasst. Das Verfahren wurde schon im frühesten Mittelalter benutzt.
2. Verfahren
Die zweite Methode ist das direkte Malen auf das Glas, wie es deutlich beim Mose zu erkennen ist. Nach dem Malen wird die Farbe in das Glas eingebrannt.
3. Verfahren
Die dritte Methode ist in den Fenstersternen zu sehen, wo mit Flusssäure Farben wieder herausgeätzt wurden. Es können dabei auch farbige Gläser abgedeckt werden und so weiße Strahlen erzeugt werden. Das ergibt warme Farbtöne mit vielen Nuancen. Bei der Wassertaufe ist ein Halbmond zu erkennen. Es gibt auch Gläser die mit zwei oder drei Glasschichten mit unterschiedlichen Farben hergestellt wurden, was das Ätzverfahren noch interessanter macht.
4.Verfahren
Die vierte Methode, die es im Mittelalter noch nicht gab, ist bei den Weintrauben zu erkennen. Hier ist farbiges Glas ausgeschnitten und aufgeklebt worden. Im Mittelalter gab es keinen transparenten Kleber. Weil die Klebstoffe vergilbten, änderte sich der Farbton und man benutzte die Methode nicht. Heute gibt es wasserklare Klebstoffe, die dieses Verfahren ohne Probleme möglich machen.
Von außen ist eine Schutzverglasung der Fenster erfolgt, eine Art Panzerglas, was auch sehr teuer war. Der Gemeindekirchenrat entschied sich aber für das Panzerglas und gegen Drahtschutzgitter, weil aus Kostengründen viel farbloses mundgeblasenes Glas verwendet werden musste und die Drahtgitter dann den Gesamteindruck der Kunstwerke gestört hätten.
Durch die gotischen Fenster strömt eine große Helligkeit vom Chorraum in das Kirchenschiff, die die Gottesdienste in der Kirche für die Besucher unangenehm machen, weil sie den Pfarrer nur geblendet und schemenhaft wahrnehmen können. Dieser Mangel kann aber dem Künstler nicht angelastet werden, weil er durch die finanziellen Sparzwänge gezwungen war, viele farblose mundgeblasene Glasscheiben zu verwenden. Mit dem Aufbau der Kreuzgewölbe im Chorraum wird dieser Mangel behoben werden. Die tiefblauen Glasscheiben gehören zu den teuersten Gläsern. Je farbiger die Glasscheiben sind, desto höher ist der Preis, der dafür gezahlt werden muss. Der Preis für die Fenster ist durch verschiedene Maßnahmen wie die Schutzverglasung und anderes ständig angestiegen. Ein großes Fenster kostete 13.000,00 €.
Die Deutung der Fensterinhalte folgt theologischen Grundsätzen und ist nicht immer identisch mit den Auffassungen des Künstlers. Die dem Gemeindekirchenrat vorgelegten und von ihm genehmigten Entwürfe wurden durch den Künstler einer laufenden Überarbeitung unterzogen, sodass die fertiggestellten Fenster oft erheblich von den ursprünglichen Entwürfen abwichen. Der Künstler hat auch die ursprüngliche Bezeichnung seiner Fenster nachträglich verändert und mit einer anderen Deutung versehen. Wie eine Kritikerin seiner Werke betonte, merkt man seinem Schaffen immer die "Konstruktion des Ingenieurs" an. Die Schlosserlehre und das Ingenieurstudium in Zwickau sind an seiner künstlerischen Persönlichkeit nicht spurlos vorübergegangen und haben sein Schaffen geprägt.
1. Fenster : Lichtwerdung (eingesetzt am 29.05.1998)
Gestiftet für Franz Rampf, Mögelin
Das erste der acht Fenster geht auf den Schöpfungsbericht der Bibel, der ganz im Anfang steht, zurück. Der Bibeltext aus dem 1. Buch Mose 1 lautet dazu: “Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die ganze Welt. Auf der Erde war es noch wüst und unheimlich; es war finster und Wasserfluten bedeckten alles. Über dem Wasser schwebte der Geist Gottes (ein gewaltiger Sturm). Da befahl Gott: " Licht soll aufstrahlen!" und es wurde hell. Gott hatte Freude an dem Licht; denn es war gut. Er trennte das Licht von der Dunkelheit und nannte das Licht Tag, die Dunkelheit Nacht. Es wurde Abend und wieder Morgen: der erste Tag." Der linke großflächige Teil des Fensters zeigt ein tiefblaues Glasscheibenmosaik mit dem Symbol für Gott, dem Gottesauge, am oberen Rand. Unten im Blau ist das Chaos (Kreis), der Urwirbel oder wie es im Hebräischen heißt: „Tohuwabohu“ zu sehen. Vom rechten oberen Rand ist ein heller Lichtstrahl zu erkennen, der das erste Licht in die Finsternis sendet. Kleine helle Kreise sollen erste Lichtinseln darstellen.
Die Lichtwerdung
Der Lichtstrahl fällt auf einen riesenhaften Kern im zweiten Bild. Durch das kräftige Blau wird die Urgewalt deutlich unterstrichen. Ein machtvolles Bild. Die Lichtwerdung ist ein eindrucksvolles Zeugnis jüdisch-christlichen Glaubens. In den ersten Entwürfen hatte der Künstler den Urwirbel weggelassen, was dem gesamten Bild noch mehr Kraft und Gewalt gegeben hatte.
2. Fenster: Grüne Werdung - Erschaffung der Pflanzen (eingesetzt am 29.05.1998)
Gestiftet von der Volksbank Rathenow e G
Das Fenster stellt die Erschaffung der Pflanzenwelt dar. Der erste Lichtstrahl fällt genau auf den großen Pflanzenkern. Unten sind Wurzeln zu sehen und in den Wurzeln steht der Name Blöhnsdorf. Ein Weinstock rankt sich um die Mittelstrebe des Fensters. Im rechten Teil des Fensters ist eine Winzerhand mit einem Winzermesser zu sehen. Oben rechts sieht man gelbe und darüber blaue Weintrauben oder Blumen. Im Schöpfungsbericht der Bibel (1. Mose 1) heißt es, dass Gott am dritten Tag junges Grün sprossen ließ: Kraut, das Samen trägt nach seiner Art und Bäume, die Früchte tragen, in denen ihr Same ist, je nach ihrer Art.
Die Grüne Werdung
Über den blauen Weintrauben ist eine weiße Taube zu sehen. Die Taube hält im Schnabel ein Pergament, das man als Vertrag oder Bund mit Gott deuten könnte. Es gibt in der Bibel einen zweiten Schöpfungsbericht. Nach der Sintflut landet Noah mit seiner Arche auf einem Berg (vermutlich der Ararat) und sendet zuerst einen Raben aus. Der kommt wieder zurück. Dann sendet er zweimal eine Taube aus. Beim zweiten Mal kommt die Taube mit einem Blatt von einem Ölbaum zurück, sodass Noah wusste, es gab wieder Land und das Wasser war zurück gegangen. Gott macht mit den Menschen einen zweiten Bund.
Das sichtbare Zeichen dafür ist der Regenbogen. Im ersten Buch Mose , Kapitel 8, heißt es zur Bestätigung dieses Vertrages:
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Helle, freundliche Farbtönen geben dem Bild eine Leichtigkeit und Duftigkeit, wie sie nur Blumen mit ihrer Vielfalt an Farben hervorbringen.
3. Fenster: Mose vor dem brennenden Dornbusch
(eingesetzt am 12.12.1997 in Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg Dr. Manfred Stolpe) gestiftet vom Förderkreis zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e.V. und vielen nicht genannten Spendern
Dieses Fenster erzählt die Geschichte, wie Gott Mose beauftragt, das Volk Israel aus Ägypten zu führen. Mose kniet vor den Flammen und die gelben Funken steigen weit nach oben auf.Mose hütete am Berg Horeb die Schafe seines Schwiegervaters, als er einen brennenden Dornbusch in der Steppe sah, der vom Feuer nicht verzehrt wurde. In Israel wie auch in ganz Mitteleuropa gibt es eine ein Meter hohe, stark riechende Staude, deren Stengel im oberen Teil mit schwärzlichen Öldrüsen besetzt sind. An heißen Tagen geben diese Drüsen ätherische Öle ab, die nach Zitronen duften. Der „Brennende Busch“ der Bibel lässt sich an heißen Tagen auch einmal entzünden. Dann brennt der Busch und verbrennt doch nicht, weil nur die Gase abgefackelt werden. Die Staude heißt Diptam (Dictamus L.), wobei eine rot- und eine weißblühende Form unterschieden werden. Der Diptam wird auch gelegentlich in unseren Gärten angetroffen. Die bittere, stark zitronenartig riechende Wurzel wurde früher als weiße Diptamwurzel (Spechtwurzel, Eschen- oder Aschwurzel) arzneilich benutzt. Die jungen Blätter dienten in Sibirien als Teesurrogat. Als Mose näher geht, um sich die Sache genau anzuschauen, spricht Gott zu ihm aus dem brennenden Dornbusch: “Zieh die Schuhe von den Füßen, denn die Stätte, darauf du stehst, ist heiliges Land…Gehe hin und versammle die Ältesten Israels und sprich zu ihnen: Jahwe, der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt,…um euch aus dem Elend in Ägypten herauszuführen… in ein Land, wo Milch und Honig fließt.“ (2.Buch Mose 3)
Mose vor dem brennenden Dornbusch
4. Fenster: Das geöffnete Kreuz
(eingesetzt am 16.10.1998)
Gestiftet von Luise und Heinz Schröder, Rendsburg
Das geöffnete Kreuz
Oben ist Jesus Christus mit einer angedeuteten Krone zu erkennen. Im unteren Bereich des Fensters ist in sattem Blau der Davidsstern zu sehen. Der Davidsstern soll das Siegel des Königs Salomo gewesen sein. Es setzt sich aus zwei ineinander versenkten Dreiecken zusammen. Das Dreieck mit der Spitze nach oben steht für Feuer und männlich und das Dreieck mit der Spitze nach unten für Wasser und weiblich. Links in der Mitte ist der grüne Halbmond als Zeichen für den Islam und rechts das Yin-Yang-Zeichen für den Buddhismus dargestellt. Die Bedeutung des Fensterbildes ist: Jesus Christus ist offen für alle Menschen. Zwei große Bögen schwingen sich von Christus sowohl zu den alttestamentlichen Bildern als auch zu den neutestamentlichen Bildern des Chorraumes. Christus ist das Bindeglied zwischen beiden. Dieses Kunstwerk ist einmalig in der Welt. Unten hat der Maler Verse von Dietrich Bonhoeffer (04.02.1906 – 09.04.1945) über Christen und Heiden aufgeschrieben. Dietrich Bonhoeffer war als evangelischer Theologe ein Vorkämpfer der bekennenden Kirche in Deutschland und wurde wegen Widerstand gegen das Nazi-Regime hingerichtet. Der Text lautet:
Christen und Heiden
Menschen gehen zu Gott,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle,
Christen und Heiden.
Menschen gehen zu Gott in seiner Not.
Finden ihn arm, geschmäht ohne Obdach und Brot.
Sehn ihn verschlungen von Sünde Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in seinen Leiden.
Gott geht zu den Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod und vergibt ihnen beiden.
Dietrich Bonhoeffer
Dieses Glasfenster gehört von der Farbgebung zu den prächtigsten Bildern. Es wird sofort deutlich, dass Jesus Christus der Mittelpunkt des gesamten Raumes ist. Es ist ein einmaliges Kunstwerk und findet nicht seinesgleichen auf der ganzen Welt. Es wird das "Rathenower Toleranzfenster" genannt.
5. Fenster : Abendmahl
(eingesetzt 08.06.2000)
Gestiftet von der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde in Rathenow
Abendmahl
Das Fenster konnte von den Menschen der Stadt zum Pfingstfest 2000 (11.06.2000) das erste Mal bewundert werden. Der Abendmahlstisch ist als Brücke dargestellt. Auf der Brücke steht ein Kelch. Hinter dem Kelch stehen Juden und Araber. Das Fenster knüpft an das geöffnete Kreuz an. Zum Abendmahl kommen links in weiß gekleidete Menschen aus dem Islam und rechts Buddhisten entsprechend dem grünen Halbmond und des Yin-Yang-Zeichens. Unter einer Brücke sitzen die Benachteiligten der Gesellschaft, Behinderte, Kranke und andereTheologisch ist dieses Bild unterlegt mit der Einladung zum Abendmahl (Lukas 14,21). Jesus erzählt die Geschichte von der Einladung Gottes zum großen Festmahl. Alle geladenen Gäste sagen aus verschiedenen Gründen ab. Der eine hatte geheiratet, der andere hatte ein Paar Ochsen gekauft usw.. Da wird Gott böse und sagt: „Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Krüppel und Blinden und Lahmen hier herein!“ An sie geht die herzliche Einladung, zu Gottes großem Fest zu kommen. Unter dem Abendmahlstisch sieht man drei Kerne, die durch den Altar hindurch als Brotgetreide in die Höhe wachsen. Neben dem Abendmahlstisch sieht man Felder und Wiesen, so dass das Brot und der Wein direkt auf den Abendmahlstisch wachsen. Der Künstler war vor Fertigstellung des Bildes in Israel auf dem Berg der Seligpreisungen gewesen und hat versucht, diese einzigartige Atmosphäre darzustellen. Vom rechten oberen Fensterrand nach links unten fliegt eine Taube, die von Gott geschickt wird (Gottes Hand ist oben zu sehen) und unter dem roten Liebespaar unter der Brücke ist erneut Gottes Hand zu sehen. Gott hält die Welt in seinen Händen
6. Fenster: Taufe (08.11. 1999 eingesetzt)
Gestiftet von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse Potsdam
Die Taufe
Der Maler nennt das Fenster Wassertaufe. Die Blautöne überwiegen. Es ist ein sehr kraftvolles Bild. Die Gewalt und die Kraft des Wassers werden in zwei großen Wasserströmen dargestellt. Der eine von oben nach unten und der andere von unten nach oben. In der Mitte sind spiegelbildlich zwei weiße Tauben als Symbol des Heiligen Geistes zu sehen. Während der Taufe soll der Heilige Geist auf die Menschen kommen, deshalb werden die Christen auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft (Matthäus 28,19). Die eine Taube schaut nach oben und die anderen nach unten. Sie hat einen Ölzweig im Schnabel, wobei sich wieder der Kreis zum Schöpfungsbericht aus dem Alten Testament schließt. Unten rechts hat der Maler in dunkelstem Blau „Urwasser“ dargestellt. Aus dem Wasser schaut ein Mensch nach oben. Ein kleiner Fisch ist zu sehen. Im linken oberen Fensterabschnitt schnappt ein Fisch nach einem roten Punkt, einem Luftballon. Der Luftballon soll nach der Intention des Malers besonders die Kinderherzen erfreuen, denn Taufe ist nach dem heutigen Verständnis der Evangelischen Kirchen eine Sache für Kinder und seltener für Erwachsene. In dem Fensterstern hat der Künstler einen Halbmond eingeätzt. Dies passt sehr gut zum Wasser. Werden doch die Gezeiten vom Mond gesteuert.
7. Fenster: Verheißung / Paradies
(07. 09.2000 eingesetzt)
Gestiftet von Charlotte Nitschke, Berlin
Die Verheißung oder das Paradies
Ein in Gelb gehaltenes Fenster, was den Gegensatz zum dunklen Blau der Lichtwerdung besonders betont. In der Offenbarung des Johannes 21,1 steht: Gott schenkt einen neuen Himmel und eine neue Erde. Unten sieht man so wie Öl auf Wasser Reste der alten, verbrauchten Erde. Oben hat der Künstler das neue Jerusalem dargestellt. Das neue Jerusalem wird als Stadt mit 12 Toren beschrieben. Jedes Tor ist eine Perle und die Grundmauern der Stadt sind aus 12 Edelsteinen. Die Edelsteine werden einzeln benannt:
1. Jaspis, 2. Saphir, 3. Chalcedonier, 4. Smaragd, 5. Sardonyx, 6. Sarder, 7. Chrysolith, 8. Beryll, 9. Topas, 10.Chrysopras, 11. Hyacinth, 12. Amethyst.
Um 12 Uhr am Mittag kommt eine Lichtfülle durch das erste große Tor, das an die Rialtobrücke in Venedig erinnert.
Als Text ist in der unteren rechten Ecke zu lesen: Hoffnung, das Wichtigste, was wir unseren Kindern zu übergeben haben,- im Symbolbild der „zukünftigen Stadt“. Die Bibel eröffnet mit dem Garten Eden (aus dem heraus der Lernweg der Menschen beginnt) und endet mit dem Ausblick auf die „hochgebaute Stadt“ - weithin leuchtend (Offenb. Johannes). Kein Unrecht darin, sondern hohe Freude, Toleranz, schönfarbene Transparenz und Schalom in Weltzeit (Jesaja 41-66). Uralter Traum der Menschen, zu allen Zeiten. Bilder u. Bauten. Arbeiten an der Zukunft Gegenentwürfe zur Hochrüstung und Bunkerbau. Miteinander unterwegs zu uns „Verheißene Stadt.“ „Meine Gedanken, nicht zu vergleichen mit euren. So hoch der Himmel über d. Erde, so weit gehen meine Planungen und Möglichkeiten über all eure Vorstellungen“ Jesaja 55. Ge Hen 1996-2000.
8. Kleines Fenster : Gott ist Liebe
(eingesetzt 08.09.2000)
Gestiftet von der Derix-Glasfirma in Blönsdorf bei Belzig
Das Fenster ist in roten Farben gehalten. Rot als Zeichen der Liebe. Ein Herz ist im oberen Bereich zu sehen. Nach der Vorstellung der Menschen gehören Herz und Liebe zusammen.
Gott ist Liebe
Im Römerbrief 5,5 des Paulus heißt es: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den Heiligen Geist.“ Warme Farben gehen von diesem Fenster aus. Gott hat aus Liebe zu den Menschen seinen Sohn zum Opfer gegeben. Die ganze Bibel kündet von der Liebe Gottes zu den Menschen. Jesus strömt sie in die Welt. Aus der Liebe erwachsen die Werke der Barmherzigkeit. Gott segnet alle, die ihn lieben. Es heißt im zweiten von den zehn Geboten, die Gott dem Volk Israel durch Mose gegeben hat:
Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der der Schuld der Väter nachgeht bei Kindern und Kindeskindern, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
Weihnachtskrippenausstellung im Chorraum
9. Biografie von Gerhard Henschel
Gerhard Henschel wurde am 14.10.1938 in Breslau geboren. Er besuchte von 1946 -1953 die Grundschule in Schipkau bei Senftenberg. Von 1953 -1956 absolvierte er eine Schlosserlehre und studierte danach von 1956 -1959 Maschinenbau in Zwickau. Da er aber in sich eine künstlerische Begabung fühlte, begann er von 1961 -1966 ein Studium an der Kunsthochschule in Berlin Weißensee bei dem Designer Professor Rudi Högner und Professor Vogenauer. Seit 1976 arbeitete er als freischaffender Maler und Grafiker in Rathenow. Von 1968 – 1990 war er Mitglied des Verbandes bildender Künstler der DDR und seit 1990 ist er Mitglied im Brandenburger Verband bildender Künstler. Gerhard Henschel war seit 1966 mit Theda Grünefeld verheiratet. Er hat zwei Kinder, Martin und Heide. Er wohnte in Rathenow in dem Geburtshaus des Begründers der optischen Industrie, Pfarrer Johann Heinrich August Duncker, Kirchplatz 12, bis es eine psychische Erkrankung notwendig machte, in ein Pflegeheim in Potsdam zu übersiedeln. Dort starb er geistig umnachtet am 16.10.2022 im Alter von 83 Jahren.
Quellenangaben:
1. Eigene biografische Angaben von Gerhard Henschel bei der Ausstellung im Jahr 2006 in Rathenow, Kirchaplatz 10
2. Biografie von Gerhard Henschel auf der Internetseite der Stadt Rathenow
3. Archiv: Dr. Hans-Hermann Schultze (Farbpostkarte Kirche)
Die Ziegelmarken in der Sankt-Marien-Andreas-Kirche
1590 gab es in Rathenow eine Stadtziegelei. Rathenow und seine Umgebung hatten große Vorkommen von Ton, die die Entstehung von Ziegeleien beförderten. Der hohe Eisengehalt der Rathenower Tonvorkommen färbte die Steine nach dem Brand rot und machte sie besonders robust gegen Regen und andere Witterungsunbilden. 1190 soll die Rathenower Kirche als romanische Kreuzbasilika errichtet worden sein. Im südlichen Querhaus findet man noch ein romanisches Portal und die Umrisse der Ziegel, die einmal die Fenster dieser Basilika umschlossen. Es ist zu vermuten, dass bei diesem Bau auch Ziegel aus Rathenow benutzt wurden. Es wurden zuerst meist Ziegel im Klosterformat gebrannt. Die Qualität der Ziegel von Rathenow war so gut, dass auch die umgebenden Ziegeleien sich als "Rathenower Ziegel" bezeichneteten. Rathenower Ziegel waren zu einem Begriff von guter Qualität geworden, was die Wetterbeständigkeit anbetrifft aber auch die Form und die Farbe. Als der Umbau zur gotischen Basilika erfolgte, wurden natürlich wieder Ziegel in großen Mengen gebraucht. Im Rathenow Zentrum steht das Denkmal eines Abtragejungen. Die Kinder wurden im Sommer von der Schule abgemeldet und arbeiteten als Abtragejungen in den Ziegeleien. Die Ziegelsteine, die der Ziegelarbeiter aus dem Ton geformt hatte, wurden von Abtragejungen in einen Trockenraum gebracht. Wie das Denkmal im Zentrum von Rathenow zeigt, hatte der Junge einen Strohkranz auf seiner Mütze, auf dem er einen Stein trug und in jeder Hand einen weiteren Stein, sodass insgesamt drei Steine von ihm in den Trockenraum transportiert wurden.
Denkmal für den Abtragejungen von Steffen Mertens in Rathenow Berliner Straße
Es soll an dieser Stelle die Geschichte des Johann Friedrich Meuß (*26.07.1813 in Rathenow - † 05.02.1878 in Rathenow) erzählt werden, der eigentlich Apotheker gelernt hatte, und in der Altstädtischen Apotheke arbeitete. Er ist 1877 zum Ehrenbürger der Stadt Rathenow gewählt worden. Sein Vater Johann Friedrich Meuß war Kaufmann und sein Großvater Johann Friedrich Meuß war Pfarrer in Rathenow. Neben dem Materialwarengeschäft hatte der Vater auf dem sogenannten Burgwall vor dem Jederitzer Tor, einer von Havel und Stremme gebildeten Halbinsel, eine Ziegelei angelegt, die ihm schon viel Not und Kosten gemacht hatte. Weil er keine eigene Apotheke kaufen konnte, entschloss sich der Sohn Johann Friedrich Meuß die fast insolvente Ziegelei des Vaters zu übernehmen und musste dazu Töpfer lernen. Der Vater hatte die Ziegelei noch durch eine Ofenfabrik erweitert. 1839 existierte noch die alte Gewerbeordnung und so musste der Sohn regelrecht das Töpferhandwerk erlernen und die Meisterprüfung ablegen. Die Umstände drängten. Daher lernte er vom 01.04.1841 bis 1843 bei dem Töpfermeister Rölicke in Rathenow die Töpferei und legte am 11.07.1843 vor dem Regierungsbauinspektor Heidefeld seine Meisterprüfung ab. In dem Zeugnis heißt es: “Der von dem Examinanden selbst gesetzte Ofen, von feinen weißen Schmelzkacheln, ist sehr sauber und ohne jeden Fehler gesetzt, und es kann daher dieser Ofen als ein besonders gutes Meisterstück angenommen werden.“ Am 03.09.1844 erwarb Johann Friedrich Meuß das Bürgerrecht und leistete vor dem Magistrat der beiden Städte Alt- und Neustadt Rathenow den Bürgereid. 1840 soll es sieben Ziegeleien in Rathenow gegeben haben. 1846 übernahm er die Leitung der Ziegelei und Ofenfabrik von seinem Vater. Er entwickelte Ofenfabrik besonders stark. Daneben ging der Ziegeleibetrieb weiter. Beides machte viel Arbeit und manche Sorge, doch fehlte es auch nicht an Erfolgen. Jedenfalls war der Lebensunterhalt seiner Familie und seiner Mitarbeiter gesichert und auch für die Geschwister konnte gesorgt werden. Sein Sohn beschrieb den Weg zur Ziegelei einmal so: "Am Wiesenrand jenseits der Stremme liegt gleich rechts noch heute ein stattliches Gebäude, das einst die Ofenfabrik enthielt und heute als eine Art Bauhof für die Landbaugemeinschaft Rathenow benutzt wird. Ihm gegenüber lag der Havel zu die Tonschlemme mit einem von einem ausgedienten Husarengaul angetriebenen Göpelwerk. Von dort wurde der Ton mit Handkarren in die Fabrik befördert und zu Kacheln und Ornamenten verarbeitet." Das Brennen, namentlich der Glasur, erforderte große Aufmerksamkeit. Die glasierten Kacheln wurden dann ofenweise im Lagerraum aufgestellt, von wo sie möglichst auf dem Wasserwege versandt wurden. Sie gingen zum Teil nach Berlin, wo ein Vertreter der Fabrik saß, aber auch unmittelbar an Besteller im Lande. So ließ zum Beispiel der Landwirtschaftsminister Graf Itzenplitz sein Schloss in Groß Behnitz mit Öfen aus der Meußschen Fabrik ausstatten, ebenso wie ein westfälischer Edelmann von Oheimb. In der Mitte des Grundstückes stand der mächtige Ziegelofen.
Ziegelstein aus der Meußschen Ziegelei
( Ziegelstein-Sammlung Rudolf Eißer)
Die Aufschrift „I.F. Meuss Rathenow“ auf manchen alten Ziegelsteinen künden noch von der damaligen Ziegelproduktion. Die an der Luft in scheunenartigen Gebäuden getrockneten Ziegel wurden in den Öfen aufgebaut, luftdicht abgeschlossen und dann tagelang gebrannt. Geheizt wurde mit mächtigen Holzkloben aus den umliegenden Forsten. Vorher waren die Ziegel von den Zieglern aus Lehm, Sand und Wasser in hölzernen Formen gefertigt und dann in den schon erwähnten Ziegelscheunen getrocknet. Wehe, wenn sich während dieses Prozesses unzeitige Nachtfröste einstellten! Dann war die ganze Arbeit umsonst. Die Ziegelei war damals ebenso wie die Landwirtschaft, die Johann Friedrich Meuß nur zum Unterhalt seiner Pferde in ganz kleinem Umfang betrieb, ganz von den Jahreszeiten abhängig. Außerdem stand auf dem Grundstück noch das Wohnhaus des Ziegelmeisters mit dem Büro von Johann Friedrich Meuß. In der Nähe befand sich ein sehr gepflegtes Gärtchen, ein kleiner Landungssteg und die Liegestelle für den großen Havelkahn, in dem die Öfen und Ziegel bis nach Hamburg verschifft und die Tonerde und der Sand von Havelberg geholt wurden. Die Tonvorkommen in der Nähe von Rathenow waren damals leider schon erschöpft. Diesem Betrieb stand in patriarchalischer Weise Johann Friedrich Meuß vor. Im Alter fiel es ihm schwer den Betrieb zu leiten und so war er froh, dass er die Ofenfabrik und die Ziegelei am 01.04.1874 an Will und Kliefert verkaufen konnte. 1878 verstarb er in Rathenow.
Die Bedeutung der Zieglmarken ist nicht völlig bekannt. Es könnte ein Signatur der herstellenden Ziegelei sein oder dazu gedient haben, die Abrechnung mit den Ziegeleien zu vereinfachen. In der Sankt-Marien-Andreas-Kirche fanden von 2023- 2024 umfangreiche Bauarbeiten statt, wobei die Stümpfe aller Säulen im Hauptschiff freigelegt wurden. 2023/2024 wurde durch die Archäolgie der Boden im Kirchenschiff untersucht und alle Säulen bis zu den Stümpfen sichtbar gemacht. So kamen die Rathenower Ziegelmarken bei fast allen Säulen zum Vorschein. Nur an der westlichlen ersten Säulen zum Süden (Nr. 6) und an der fünften westlichen Säule von Norden (Nr.5) fand ich keine Ziegelmarken. An allen anderen Stümpfen waren drei runde Ziegelmarken in Dreiecksform aus wahrscheinlich drei runden Holz oder Metallstempeln zu erkennen. Nur am Schaft der 2. Säule vom Westen (südlich) (Nr. 7) fand ich die überall beschriebenen Ziegelmarken in Augenhöhe, also auch für die Besucher sichtbar. Hans Jörg Rümelin hat in dem Kaptiel "Ziegelstempel" in dem Buch "Backsteintechnolgien im Mittelalter und Neuzeit" von Ernst Bachstübner und Dirk Schumann, erschienen 2003 im Lukas Verlag Berlin, eine Unzahl von Ziegelstempelmustern veröffentlicht. Sie ähneln alle auch den Rathenower Ziegelstempeln, sind aber nicht mit ihm identisch. Er beschreibt die Ziegelmarken an der zweiten Säule vom Westen im südlichen Bereich mit den Stempeln, die in Höhe von 1,60 m am Schaft zu finden sind und die mit keinen bekannten Ziegelmarken vergleichbar sind. Von 1517 - 1535 wurde das Schiff der romanischen Kreuzbasilika gotisch umgebaut. in dieser Zeit sind auch die Säulen im Kirchenschiff errichtet worden. Man weiß, dass dieses Pfeiler ab 1517 beim Umbau des Langhauses in der heutigen gotischen Form errichtet wurden. Bei den Ausgrabungen 2024 im Kirchenschiff wurden alle Säulensockel freigelegt und es fanden sich an allen Sockeln dieses runden Ziegelmarken, die im Dreieck angeordent waren und ein gleiches Muster aufwiesen. Nur die Säule Nr. 6 und die Säule Nr. 5 wiesen im Sockelbereich keine Ziegelmarken auf, was aber vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass der Sockelbereich nicht gänzlich freigelegt worden war und etliche Teile des Sockels noch unter Mauerwerk verborgen waren
Die einzelnen Ziegelmarken haben einen Duchmesser von 8 mm
Ziegelmarke (Durchmesser 8 mm) | Grafische Darstellung |
Es finden sich dicht über dem Fundament mehrere Ziegel mit den typischen Rathenower Zegelmarken.
Säule Nr. 3
von links: Elsa Jutta Eichler, Hartmut Fellenberg, Heidi Maria Binder, Kerstin Zink-Zimmermann, Dr. Heinz-Walter Knackmuß, Viola Knackmuß. Jörg Zietemann, Klaus Eichler, Dr. Manja Schüle. Peter Kurth, Jens Greulich, Hartmut Rubach, Katja Poschmann, Eva-Maria Urban, Manfred Lenz. Karin Melzer, Antje Müller
Dr. Manja Schüle (SPD-Kulturministerin des Landes Brandenburg)
mit der Sankt-Marien-Andreas Gemeinde
in der
Sankt-Marien-Andreas-Kirche Rathenow
13.10.2023
Als die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, am 13.10.2023 in die Sankt-Marien-Andreas-Kirche kam, um persönlich den Zuwendungsbescheid für die Fördermittel des Landes Brandenburg für den Wiederaufbau der Kirche zu übergeben, sprach sie noch einmal die segensreiche Entscheidung an und meinte, damit könnten die Kirchengemeinden eine neue Geldquelle erschließen und durch die Nutzung von Speicherkapazitäten eine völlig autarke Stromversorgung für ihren Bereich aufbauen. In der Uckermark gäbe es auch eine Firma die rote Solarzellen herstelle, sodass die Kirchendächer ihren städtebaulich eigenen Charme behielten.
Dr. Manja Schüle
Kulturministerin des Landes Brandenburg
Sankt-Marien-Andreas-Kirche Rathenow
13.10.2023
2023 fand eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes in Brandenburg statt.
Kulturministerin Dr. Manja Schüle (SPD) sagte zu der Novelle: "Nicht nur der dramatisch fortschreitende Klimawandel, auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigen eindrücklich, dass wir schnellstmöglich von fossilen Energieträgern unabhängig werden müssen. Das gelingt nur mit dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien." Man habe deutlich machen wollen, dass "der Erhalt historischer Gebäude und der Ausbau Erneuerbarer Energien nicht im Widerspruch zueinanderstehen." Demnach soll "die Genehmigung von Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen bei Denkmalen soll künftig die Regel, nicht mehr die Ausnahme sein." Ich habe mich über diese Entwicklung sehr gefreut und danke der Ministerin für ihr Engagement. Sie hat damit alles auf den Weg gebracht, was die Kirchengemeinden heute benötigen zur Bewahrung der Schöpfung Gottes. Dr. Manja Schüle sorgte sogar mit einer Verordnung dafür, dass auf allen Dächern von Kirchen im katholischen Bistum Berlin und in der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz Photovoltaikanlage der Normalfall wurden und nur in Ausnahmefällen dem Denkmalschutz ein Vetorecht eingeräumt wurde. Wenn es den Christen mit der Erhaltung der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, sollten erneuerbare Energien wie Photovoltaik bei allen Kirchengebäuden und Denkmalen benutzt werden.
von links: Schatzmeisterin Heidi Maria Binder, Stellv. Vors. Hartmut Fellenberg, Schriftführer Thomas Weisner, Stellv. Vors. Kevin Kama, Peter Kurth, Viola Knackmuß, Vors. Dr. Heinz-Walter Knackmuß
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Als der Zweite Weltkrieg mit Zerstörung und Tod kam, erklärte der General Keitel Rathenow zur letzten Festung des Deutschen Reiches, die bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen wäre. Der Grund für die Zerstörungswut war, dass er mit seinen Resttruppen erst über die Elbe kommen wollte, damit er nicht in russische Kriegsgefangenschaft geriet. So wurde die Kirche noch zehn Tage vor dem Ende des Krieges in Schutt und Asche gelegt. In der Nacht vom 28. zum 29.04.1945 beschoss der Leningrader Hauptmann der Sowjetarmee Wladimir Nasarowitsch Jegorow die Kirche mit Brandgranaten. Der Turm geriet in Flammen. Da der Küster vergessen hatte, die Brandschutztür vom Turm zum Schiff zu schließen, breitete sich das Feuer über den Eichendachstuhl auf die ganze Kirche aus. Es war ein riesiges Feuerwerk, das eine Woche lang in den Himmel loderte und mit dem herabstürzenden Dach auch die wertvolle Barocke Kanzel (Nachschnitzungskosten 1.090.000,00 €), die Kreuzgewölbe im Mittelschiff (2010 neu erbaut) und die Schuke-Orgel (Neubau 1 Mio. €) zerstörte. Viele Menschen auch in den benachbarten Orten sahen aus der Ferne das große Feuer und viele Rathenower weinten. Auch der Superintendent Georg Heimerdinger konnte seine Tränen nicht zurückhalten, denn er war am Ende seines Lebens 50 Jahre als Pfarrer in der Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde tätig gewesen. Viele Menschen hatten sich von den Versprechen der Nazis verführen lassen und hatten einer verbrecherisch handelnden Staatsführung vertraut. Die Menschen waren ja auch terrorisiert und getötet worden, wenn sie sich der Staatsdoktrin widersetzten. Die Tränen, die die Rathenower vergossen haben, waren auch wie ein Erwachen aus einem bösen Traum, denn nach und nach wurden immer mehr Gräueltaten der Nazis bekannt. Nicht, dass die Rathenower nun in demokratische Verhältnisse geführt wurden. Nein, die Sowjetsoldaten hatten die Aufgabe, eine kommunistische Diktatur zu etablieren. Diktaturen verfahren alle nach dem gleichen Muster. Terror, Folter und Bestrafung der Menschen, die nicht an ihre Vorstellungen glaubten. Eine neue Regierung versuchte, die Menschen erneut für ihre Zwecke zu verführen. Obwohl die Kommunisten den Faschismus und die Foltermethoden in den KZ verbal verurteilten, wandten sie die gleichen Foltermethoden der Nazis in ihren Gefängnissen an. Pfarrer Friedrich Korth gelang es die Kirche ab 1950 nach und nach von Trümmern und vom Schutt zu säubern. Am 29.06.1952 konnte er den ersten Gottesdienst in der von Schutt und Trümmern befreiten Kirche durchführen. Unter schwierigsten Bedingungen wurde das Mittelschiff mit einem Dach versehen und am 06.09.1959 wurde die Sankt-Marien-Andreas-Kirche feierlich wieder eingeweiht. Man musste zwar die Öffnung zum Chorraum zumauern, aber man hatte wieder ein Gotteshaus, in dem die Rathenower sich am Sonntag zum Gottesdienst versammeln konnten. 14 Jahre nach der Zerstörung war der Teilaufbau der Kirche fertig. Die Menschen in Rathenow freuten sich darüber und dankten Gott für dieses Wunder. Der Chorraum, das Allerheiligste einer Kirche, blieb aber ein Trümmerfeld und eine Ruine, aus der 1990 hohe Bäume in den offenen Himmel ragten. Nach der Einheit Deutschlands im Jahr 1990 begann die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde sofort mit dem Wiederaufbau des Chores. Die Backsteinwände wurden wieder aufgemauert, ein Dach über dem gesamten Chor errichtet und neue Fenster nach Entwürfen von Gerard Henschel eingesetzt. Die Mauer zwischen Chor und Schiff wurde wieder entfernt und man hatte jetzt das Gotteshaus wieder in kompletter Einheit zur Verfügung. 1995 waren der Wiederaufbau der Fassade und des Daches abgeschlossen. Es fehlten jetzt natürlich noch die Kreuzgewölbe des Chors. Erst durch die Fördermittel von Bund und Land, die 2023 in Höhe von 7,5 Mio. € gewährt wurden, bekam die Gemeinde die Möglichkeit, die drei Kreuzgewölbe, die Gott-Vater, Gott-Sohn-Jesus Christus und den Heiligen Geist symbolisieren, wieder zu errichten. Am 04.12.2023 hielten Vorstandsmitglieder des Förderkreises zum Wiederaufbau der Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow e. V. eine Andacht zum Auftakt der bauvorbereitenden Maßnahmen für den letzten Bauabschnitt in diesem Gotteshaus. Mit den Kreuzgewölben im Chorraum, den Emporen und den Einbau einer Heizung können 80 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg (1945) am 01.12.2025 dann die letzten großen Bauarbeiten als abgeschlossen angesehen werden. Das ist ein große Freude für alle Förderkreismitglieder in ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Finnland und Kanada. Gerade 2023, wo Krieg und Zerstörung in der Ukraine, in Israel und Palästina wieder so aktuell sind, wollen wir Gott dem Herrn, gelobt sei sein Name, dafür danken, dass wir in Frieden leben und die Kirche zu seinem Lobe wieder aufbauen dürfen. Der Förderkreis dankt allen Mitgliedern des Förderkreises und den vielen Unterstützern des Wiederaufbaus für ihre Spenden und hofft, dass der Bauleiter Stefan Unkelbach von der Baudenkmalpflege Roland Schulze GmbH Potsdam alles zu einem guten Abschluss bringen wird. An Gottes Segen ist alles gelegen, meinte Thomas Weisner bei der Andacht.
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 04. 12.2023
Am Nikolaustag, den 06.12.2023 bekamen die Bauarbeiter der "Baudenkmalpflege GmbH Potsdam" Besuch vom Heiligen Nikolaus, der ihnen einen kleinen Schokoladengruß brachte. Sie waren dabei den Altar abzutragen, um ihn in das hintere Kirchenschiff zu deponieren, damit er dann, wenn der Chorraum 2025 fertig sein wird, dort wieder aufgebaut werden kann. Es gibt bei der Bauvorbereitung immer viel zu tun, denn das Kirchenschiff und der Chorraum müssen völlig leergeräumt sein, damit die Bauarbeiten den Wiederaufbau beginnen können. Der Chor soll ja nach der Fertigstellung barrierefrei vom Schiff zugänglich sein. Ich hatte von Anfang an darauf gedrungen, dass der Chorraum für Behinderte zugänglich sein müsste. Vor der Zerstörung des Gotteshauses war der Fußboden im Chor auch höher und es führten Treppen zur Marien- und Andreaskapelle hinunter. Die Bauarbeiter haben sich über die kurze Unterbrechung ihrer Arbeit gefreut und der Nikolaus erzählte noch eine Geschichte vom jetzigen Bauleiter Stefan Unkelbach, der 2010 die Kreuzgewölbe als Maurermeister Stefan Unkelbach wiederaufgebaut hat. Dr. Heinz-Walter Knackmuß sollte bei einem Festakt den Schlussstein in einem der Sterngewölbe einsetzen und wurde dabei vom Staatssekretär Martin Gorholt begleitet. Er ging vorher zum Mauermeister Stefan Unkelbach und bat ihn um eine Einweisung, wie der Schlussstein einzumauern sei. Der meinte aber: "Ach das geht auch ohne Einweisung." Bei der Zeremonie am 03.12.2009 sagte Stefan Unkelbach: "Sie brauche keine Angst zu haben, ich habe unter den Schlussstein eine Schiene eingebaut. Der Stein kann, nachdem sie ihn mit Mörtel eingesetzt haben, nicht durchfallen." Also machte ich mich ans Werk, bestrich den Stein mit Mörtel und setzte ihn ein und verschmierte die Fugen mit etwas Mörtel. Dann nahm ich einen kleinen Hammer und schlug dreimal auf den Stein und sagte bei jedem Schlag einen Segensspruch:
1.Gott erhalte die Sankt-Marien-Andreas-Kirche und mehre den Glauben der Menschen in dieser Stadt
2. Gott schütze die Stadt vor Zerstörung und Krieg
3. Gott segne die Stadt Rathenow und ihre Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde
Die Kirchengemeinde saß im Chorraum und sollte über eine Videokamera den Vorgang der Schlusssteinsetzung verfolgen können, aber wie es im Leben so geht, war bei der Probe alles in Ordnung gewesen, aber bei der Zeremonie fiel die Videokamera aus und Pfarrer Andreas Buchholz sang derweil das alte Kirchenlied "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren."
Die Kameraleute und Fotografen waren auf das Kreuzgewölbe gesprungen, um alles aus nächster Nähe zu dokumentieren. Ich sagte zum Maurermeister: "Herr Unkelbach, ich hatte solche Angst, dass daduch das Gewölbe einbricht." Stefan Unkelbach lachte und sagte: "Das Kreuzgewölbe kann eine Last von zehn Tonnen tragen, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen." Nach dem Festakt hatte Pfarrer Andreas Buchholz alle Bauarbeiter zu einem Essen eingeladen und nach einer Stunde, kam der Maurermeister Stefan Unkelbach wieder zurück zur Baustelle und sagte: "Das Essen war ganz großartig. Da hat sich die Sankt-Marien-Andreas-Gemeinde wirklich Mühe gegeben. Ich bin noch immer ganz begeistert, aber Ihren Stein habe ich wieder rausgenommen und ordentlich eingemauert." "So ist das richtig, Herr Unkelbach, Sie sind für die Festigkeit des Mauerwerkes zuständig und ich für die Sprüche."
Copyright: Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 06.12.2023
Baustelle 27.02.2024
13.07.2024 - Offene Baustelle für Besucher
Die Sankt-Marien-Andreas-Kirche in Rathenow ist von 2023 -2025 gesperrt, weil die letzte Phase des Wiederaufbaus begonnen hat. Deshalb freuten sich die Rathenower sehr, dass am Sonnabend, den 13.07.2024 von 10-14 Uhr eine Baustellenführung angeboten wurde und viele Menschen sich persönlich einen Eindruck von den Bauarbeiten verschaffen konnten. Die Förderkreismitglieder Karin Müller aus Potsdam und Gerd-Frank Mattetat aus Rostock waren am 13.07.2024 extra nach Rathenow gekommen, um bei der "Offenen Baustelle" im Chorraum dabei zu sein. 120 Besucher konnte sich auch bei einer Führung im Chorraum mit dem Baustellenleiter Stefan Unkelbach und Pfarrer Jens Greulich vom Fortgang des Baugeschehens überzeugen. Die sechs Säulen im Chorraum haben ihre endgültige Höhe erreicht und im östlichen Teil ist das erste Lehrgerüst schon vorhanden. Mit dem Wiederaufbau des ersten der drei Kreuzrippengewölbe wurde begonnen. Es ist unvorstellbar, was die Bauarbeiter im Mittelalter für Meisterwerke erschaffen konnten und wir danken Gott dafür, dass die Firma Baudenkmalpflege Potsdam GmbH als eine der wenigen Firmen diese Kunst noch beherrscht. Die Firma hieß früher Roland Schulze Baudenkmalpflege GmbH Potsdam und hatte 2010 die vier Kreuzrippengewölbe im Mittelschiff der Sankt-Marien-Andreas-Kirche aufgebaut. Damals noch unter Leitung des Maurermeisters Stefan Unkelbach. Der Wiederaufbau der Hülle der Sankt-Marien-Andreas-Kirche ist bis zum 01.12.2025 durch eine hundertprozentige Förderung durch Bundes- und Landesmittel abgesichert. 80 Jahre nach der Zerstörung der Kirche im Zweiten Weltkrieg wird sie dann 2025 wiederaufgebaut sein. Und dann ist man natürlich in Gedanken bei der Ukraine und fragt sich, wielange wird es dort dauern, bis die Kriegsschäden beseitigt sein werden? Gleichzeitig besuchten ca. 120 Menschen die Empore der Kirche und ließen sich von Thomas Weisner und Dr. Heinz-Walter Knackmuß weitere Details zum Wiederaufbau der Kreuzrippengewölbe und ihre theologische Deutung erzählen. Die drei Kreuzrippengewölbe im Chor symbolisieren die Heilige Trinität (Gott-Vater, Gott-Sohn Jesus Christus und den Heiligen Geist), während die vier Kreuzrippengewölbe im Kirchenschiff den Menschen symbolisieren, denn man glaubte nach Hipporates, dass der Mensch aus vier Säften bestehe: Blut, Gelbe Galle, Schwarze Galle und Schleim. So dachte man im Mittelalter, der Mensch beträte vom Westen her, wo die Sonne untergeht, das Gotteshaus, ginge durch sich selbst hindurch und käme im Chorraum zu Gott. Die Fenster im Osten bringen ja auch die größte Lichtfühle in die Kirche und so wollte man diesem Licht ganz nahe sein (Ex oriente lux -Aus dem Osten kommt das Licht). Dieses Licht war auch ein Zeichen für Gott. Wenn man nun die vier Kreuzrippengewölbe im Schiff und die drei Kreuzrippengewölbe zusammenzählt, kommt man auf die heilige Sieben und die steht für den Schöpfungsbericht im Alten Testament, wo Gott an sechs Tagen die Welt erschaffen hat und am siebten Tag geruht hat. Die Siebentagewoche leben wir ja bis heute, ohne uns des Ursprungs bewusst zu sein.
Stefan Unkelbach
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Pfarrer Jens Greulich
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Blick vom Chor zur Orgelempore
Hartmut Fellenberg
Stellv. Vorsitzende des Förderkreises
(Der Garant für den reibungslosen Wiederaufbau)
Dr. Heinz-Walter Knackmuß, 13.07.2024
Rathenower Kirchturmgeschichten
von Dr. Heinz-Walter Knackmuß
1. Die Bischöfin Rosemarie Köhn aus Norwegen